„Es lä-be Ba-bels-bäck“

Der SV Babelsberg biegt im Zweitliga-Duell gegen Union Berlin einen 0:2-Rückstand zum 3:2-Sieg um. Dabei war der Name des alles entscheidenden Babelsberger Spielers Programm: Lars Kampf

Nach dem Spiel tobte am S-Bahnhof eine Schlacht zwischen Fans und der Polizei

von MARTIN KRAUSS

In der 66. Minute war es soweit, da brachte Trainer Hermann Andreev endlich seinen Spieler Lars Kampf ins Spiel. Zu dem Zeitpunkt lag Andreevs Team SV Babelsberg 03 am Samstag im heimischen Karl-Liebknecht-Stadion nämlich noch 0:2 gegen den FC Union Berlin zurück. Im Duell der Zweitligaaufsteiger aus dem Osten – und als ob das nicht ausreichen würde, wurde es gleich zum „Berlin-Brandenburger Derby“ stilisiert – musste sich Andreev etwas einfallen lassen. „Da mussten wir offen spielen“, sagte er später, „und offen ist ja die höchste Stufe von Risiko.“

Der eingewechselte Kampf, ein 23-jähriger Neuzugang aus der Oberliga, ist der richtige Mann für die höchste Risikostufe. Er sieht aus wie Carsten Jancker, spielt bullig wie der Bayern-Stürmer, hat auch eine ähnliche Beinahglatze und kommt, wie Jancker auch, von Hansa Rostock. Kampf erzielte den 1:2-Anschlusstreffer in der 70. Minute, dann schaffte sein Kollege Björn Laars mit einem Glücksflachschuss den Ausgleich (75.), und in der 87. Minute war es wieder Kampf, der eine Abseitsfalle der Unioner aushebelte, alleine auf Torwart Sven Beuckert zulief und zum 3:2-Endstand einschoss.

Bis zum ersten Kampf-Treffer hatten die Berliner es genossen, sich gegenüber dem kleinen Gastgeberverein aus dem Potdamer Stadtteil Babelsberg als das aufzuführen, was sie sonst in der gesamten Zweiten Bundesliga nicht sind, aber so gerne wären: Chefs im Ring, Favoriten im Auswärtsspiel, die führende Macht halt. „Die Könige der Stadt grüßen die Bauern vom Land“ hatte es auf einem riesigen Transparent geheißen, das im Union-Fanblock vor dem Spiel hoch gehalten worden war. Wie ein souveräner Regent hatte Union auch begonnen. In der vierten Minute setzte sich Stürmer Sreto Ristic gegen seinen unaufmerksamen Bewacher Jens Härtel durch, passte zu Sturmkollege Harun Isa, der verwandelte.

Die Geschichte wiederholte sich in der zweiten Halbzeit. Wieder war es vier Minuten nach Anpfiff, wieder pennte der Babelsberger Härtel, wieder setzte sich der Unioner Isa durch, wieder entstand ein Tor. Doch danach fand der SV Babelsberg über Lars Kampf zum Spiel, bog die Partie um. Die Unioner waren geschockt und genervt. Als nach dem Abpfiff ein Fan in unangenehmen Stakkatoton Union-Präsident Heiner Bertram ins Ohr brüllte „Es lä-be Ba-bels-bäck“, kommentierte der sarkastisch: „Es lebe der Führer.“

„Die Könige der Stadt grüßen die Bauern vom Land“ hieß es auf Union-Transparenten

Und noch eine Stunde nach dem Spiel tobte am nahe gelegenen S-Bahnhof eine Schlacht zwischen frustrierten Union-Fans und der Polizei. Es kam zu Verhaftungen, und die Station „Babelsberg“ war eine ganze Weile abgeriegelt. Der Babelsberger Präsident Detlef Kaminski, vor Jahren wegen unsauberer Geschäfte rund um das „Potsdam-Center“ als SPD-Baustadtrat geschasst, wollte freilich eine Union-Hegemonie nirgends gelten lassen, nicht auf dem Feld und nicht auf den Rängen. „Es waren 9.000 Babelsberger da und nur 4.000 Berliner, und dass man mehr Unioner gehört hat, das liegt nur daran, dass die lauter sind“, gab er glückselig über den Sieg merkwürdige Erläuterungen ab. „Wir sind doch eine Ausbildungsmannschaft, eine Entwicklungsmannschaft, in den letzten zehn Jahren sechsmal aufgestiegen, da haben wir doch noch nicht das Fanpotenzial solcher Teams, die schon lange oben dabei sind.“

Mit neun Punkten aus vier Spielen hat sich der Aufsteiger Babelsberg aber erst mal oben festgesetzt, und in einer Woche kommt der Erstligist Hertha BSC zum DFB-Pokal. Wieder Könige aus der Stadt, die nach Bauern vom Dorf suchen. Hertha dürfte aber gewarnt sein, auch wenn Babelsbergs Kapitän Almedin Civa beteuerte: „Wir haben doch mit oben nichts zu tun. Wir haben nur gezeigt, dass die Mannschaft Charakter hat, dass sie nicht nur spielen, sondern auch kämpfen kann. Eigentlich bist du doch nach einem 0:2 als Mannschaft tot.“

Als ein Sieg auf einem langen Weg, so wollte letztlich auch Babelsberg-Coach Andreev den Sieg verstanden wissen. Auf die Frage, mit welcher Order er Lars Kampf in der 66. Minute aufs Feld geschickt habe, sagte er: „Ach, der wurde doch nicht geschickt, der wurde nur eingewechselt.“ Union-Trainer Georgi Wassilev gratulierte artig: „Der Sieg des Gegners ist eine Belohnung für seine Strebsamkeit und seinen Mut“, drückte er seine Anerkennung ein wenig pastoral aus, und er fügte die beinah Stepanovic-Herbergersche Formel an: „Fußball geht weiter.“