Maden im Obst

Die zweite Heimniederlage verkraftet Hansa-Trainer Funkel schwer, Kollege Sammer wesentlich besser

ROSTOCK taz ■ Nach dem wurmstichigen Auftritt von Hansa machte sich Trainer Friedhelm Funkel nicht etwa auf die Suche nach dem Madenloch, sondern warf den faulen Apfel weit von sich. Er durfte sich dabei sogar zusehen. Im Pressesaal flimmerte bereits die Konserve seines ersten Interviews über den Schirm. Funkel nickte sich zufrieden im Fernseher zu, womit er widerlegte, dass es sich um einen Affektsturm nach Spielende gehandelt hatte. Funkels Worten zufolge landete das matschige Obst direkt auf Schiedsrichter Hermann Albrecht. Sämtliche kleine Fouls hätte der Fifa-Referee aus Kaufbeuren gegen seine Mannschaft gepfiffen, wie Nadelstiche seien diese Ungerechtigkeiten ins Fleisch gedrungen. Fazit des Sermons: „Da wird der Große so bevorzugt, dass er sich keine Sorgen machen muss.“ Damit nicht zu Ende, musste auch noch das „heiße Wetter“, es hatte laue 25 Grad, herhalten. Schließlich wollte Funkel ein Spiel gesehen haben, dessen Ergebnis Hansa hätte drehen können.

Allenfalls in der zweiten Halbzeit kam jedoch Spielfluss ins Hansa-Team. Eine Stunde lang dominierte Borussia Dortmund nach Belieben. „Von Anfang an wollten wir zeigen, wer das Spiel bestimmen würde, wer aggressiv sein möchte, wer Tore machen möchte“, sagte Mathias Sammer, Trainer der Borussen. Schon nach vier Minuten ging der Plan auf. Tomas Rosicky traf dasTor, elf Minuten später leuchtete das 0:2 Gelb auf Blau von der Anzeigetafel des Ostseestadions, und die 25.900 Zuschauer in der Arena waren kräftig vor den Kopf gestoßen, erstaunt von der Geschmeidigkeit der Gäste, deren sicheren Kombinationen, den inspirierten Vorstößen der Defensivspieler in die Spitze.

Obwohl Rostock mit ausgeprägter Verteidigungshaltung auf dem Platz stand, anfangs stürmte nur Markus Beierle, und die Manndecker Delano Hill (gegen Marcio Amoroso) und Rayk Schröder (Jan Koller) gut spielten, hatte Rostock keine Chance gegen den BVB. Überflüssig schien es, die zweite Halbzeit anzupfeifen, weitere 45 Minuten würden alles nur verschlimmern. In kleineren Runden wurde vom „Todesstoß“ gesprochen und: „Mensch, haben wir keinen Stich gesehen.“ Paul Breitner plauderte vom Fernseher aus und appellierte an Sammer, „die Ansprüche ganz nach oben zu schrauben. Ein zweiter oder dritter Platz als Ziel wäre eine Lüge.“

Doch Sammer, dessen Aussagen auf einer Skala gegenüber von hysterischer Hypertrophie zu messen sind, sagte nur trocken: „Das ist eine ganz gute Ausgangsposition, aber mehr ist es nicht.“ Genervt von den Fragen nach der Meisterschaft fuhr er fort: „Ich muss das doch nicht jedes Mal sagen.“ Es ist die hohe Kunst des Understatements, in dieser Situation von einer guten Ausgangsposition zu schwadronieren, immerhin gelang Dortmund mit vier Siegen in Folge und keinem Gegentor der beste Bundesligabeginn der Vereinsgeschichte. Sie sind auf der Jagd nach dem Startrekord des FC Bayern München, der 1995/96 sieben Erfolge in Serie schaffte. Der Aktie der Kapitalgesellschaft Borussia stieg im letzten Monat um fast 22 Prozent auf 9,06 Euro.

Wie nicht anders zu erwarten, schwächte Sammer den Aufschwung ab, wozu ihn die letzte halbe Stunde des Spiels anregte. Seine Mannschaft sei „kaputt“ gewesen, habe „die Ordnung nicht gehalten“, sei „nicht präsent gewesen“ und habe „richtig gewackelt“. Sie hätten in dieser Phase all das verloren, was eine Spitzenmannschaft ausmacht. „Ich bin froh“, sagte Sammer, „das ich das nicht erleben musste.“ Gemeint war ein Gegentor und die prognostizierte Wackelei. Die Ursachen für den kleinen Einbruch seien „gravierend“, meinte Sammer und griff Amoroso an, der, wenn er schon gut verteidigt wird, „sich trotzdem befreien muss, das verlange ich von ihm“. Am Mittwoch in der Qualfikation zur Champions League sollte Amoroso gegen Donezk aus Eigennutz an seinem fünftem Saisontor arbeiten.

Funkel, der an diesem Samstag einfach nicht in den sauren Apfel beißen wollte, redete sich indes in einen Rausch. Trunken von der Fremdbezichtigung deklamierte er, dieser Herr Albrecht sei eine Frechheit. Der habe ihm sogar untersagt, Anweisungen von der Seitenlinie zu geben. Die Aufregung war verständlich. Selten brauchten seine Schützlinge so viel Hilfe von außen. MARKUS VÖLKER