„Bitte berühren“

■ Eine Wissenschaft für sich: die Fußgängerampel und ihre fachkundige Bedienung

200 Stunden seines durchschnittlichen Lebens verbringt der durchschnittliche Bundesbürger bei Rot vor einer Fußgängerampel. Aber wie wird sie jemals grün? Das ist eine Frage, die auch zwei Passantinnen gestern morgen an der Ecke Violenstraße/Buchtstraße umtrieb. Da ist zwar ein Druccknopf, aber bringt es auch was, draufzudrücken? „Das dauert immer sooo lange“, klagt die eine. Und die andere drückt trotzdem.

Ein Mann mittleren Alters tut es gleich fünfmal hintereinander. Er ist sicher: „Wenn man hier nicht drückt, dann bleibt die Ampel rot. Wenn man richtig oft drückt, dann geht's schneller.“ Und dann hat er sogar noch einen Geheimtipp: „Es gibt Ampeln mit einem Knopf unten drunter. Wenn man den ein paar mal schnell drückt, geht das auch viel schneller mit dem Grün.“ Der Glaube ist verbreitet, leider besteht er gegen die nüchterne Autorität des Amtmanns nicht. „Die Knöpfe an der Unterseite der Kästen sind nur für die Blinden da“, erklärt Thomas Wunderlich vom Amt für Straßen und Verkehr.

Am Überweg zwischen Bischofsnadel und Domshof weiß ein Mittvierziger, dass man hier nachts in zehn Sekunden Grün ertasten kann. Tags klappt das nicht. „Ich glaube, das ist nur zur Beruhigung da.“ Oder auch zum Gegenteil. „An den Ampeln, die so aussehen, als könnte man was drücken, aber man kann es gar nicht, da hau' ich immer am meisten drauf“, versichert eine robuste ältere Dame glaubhaft.

Die Wahrheit ist wiederum profan. Es hängt schlicht von der Tageszeit ab, ob der Ampel-Körper-Kontakt zum Grün führt. Zu Stoßzeiten werden die Sensoren einfach abgeschaltet, in der Nacht funktioniert die Direktanforderung für das FußgängerInnen-Grün dagegen sofort, erklärt Amtmann Wunderlich. Und warnt vor dem Zertrümmern der 300 bis 1.300 Mark teuren Plastikkästchen. Für Abwechslung an der Ampel sorgt schließlich schon die Stadt. Der neueste Renner sind ergonomisch geformte, halbrunde, immer noch maisgelbe Plastikapparaturen, die das Handauflegen mit einem rot leuchtenden „Signal kommt“ belohnen. Aber wann kommt das Signal? Eine Fußgängerin hat diesen Vorschlag: „Eine kleine Uhr, wie vor den Nachrichten im Fernsehen: Signal kommt in fünf Sekunden, vier, drei, zwei, eins. Jetzt gehen!“

Ulrike Bendrat