Paparazzi für einen Tag

■ Beim Berliner Fotomarathon mussten 24 Themen in 24 Stunden umgesetzt werden – mit nur einem 24er-Film. Der 1. Preis ging nach Bremen

Man hätte meinen können, Lady Di sei auferstanden. Über 400 Fotografinnen und Fotografen trafen sich Ende Juli – die Kamera im Anschlag – an der Hochschule für Künste in Berlin. Am vergangenen Wochenende waren es in Kopenhagen beinahe doppelt so viele. Auch sie trugen ihren Fotoapparat griffbereit, und sie bekamen am Kopenhagener Rathaus sogar eine hellgrüne Armbinde, bevor sie in alle Richtungen auseinander stoben. Auf der Armbinde stand nicht etwa „Vorsicht Paparazzi“, sondern „13. Kopenhagener Fotomarathon“. Und das wiederum heißt nicht weniger, als dass die Teilnehmerinnen in 24 Stunden 24 Themen bearbeiten müssen. Zwei-werden-eins, Wasser, Community, Zeit, Make-Up, Saubere Stadt, um nur ein paar von denen zu nennen, die am vergangenen Wochenende in der dänischen Hauptstadt auf dem Zettel standen.

In Berlin, wo der Fotomarathon in diesem Jahr zum dritten Mal stattfand, lagen die Themen ähnlich weit auseinander – und gleichzeitig nah beisammen: sollten sie doch alle in der Stadt, mit der Stadt, in Bezug auf die Stadt umgesetzt werden. Kaufrausch, Des-Menschen-liebste-Freundin, Du-und-dein-Garten, Luft und Liebe, Nestbau und so weiter. „Man entkommt den Klischees nicht so leicht“, sinniert Sandra Kuhne. Die Studentin der Ottersberger Kunsthochschule hat beim Berliner Fotomarathon den ersten Preis gewonnen – eine Leica-Kamera. Mit dieser hat sie jetzt am Kopenhagener Marathon teilgenommen und von den 24 Stunden genau eine geschlafen. „Man ist unheimlich angespannt, läuft unter Strom durch die Stadt“.

Alle vier Stunden wurden von der Marathonleitung vier neue Themen ausgegeben, die dann – so lautet das Gesetz der fotografischen Schnitzeljagd – in der richtigen Reihenfolge bearbeitet werden müssen. Für jedes Thema darf man genau einmal auf den Auslöser drücken. Am Ende der Fotostrecke gibt man einen Film mit 24 Bildern ab und wartet ab, was die Jury sagt...

„Das Reizvolle ist, dass man mit Themen konfrontiert ist, die man sich selber nie ausgesucht hätte“, beschreibt Sandra Kuhne ihr persönliches Motiv, sich in nahezu unbekannten Städten die Hacken abzulaufen. „Als erstes hat man irgendein Standardbild im Kopf und dann ist die Frage: Gibt man dem nach? Oder wage ich etwas, bei dem ich noch nicht genau weiß, was herauskommt.“

Zum Beispiel Kaufrausch: „Woran denkt man? An Waren, an Werbung, Fotodesign, viele Früchte, viel auf jeden Fall.“ Am Ende hat Sandra Kuhne ein äußerst reduziertes Foto mit einem blauen Kreuz über einer geschlossenen Ladenfassade aufgenommen. „Wenn man den Zeitdruck nicht aushält, folgt man doch dem Impuls, ein Klischee zu fotografieren, und zwei Minuten später wird man dafür bestraft, weil einem dann das Motiv über den Weg läuft, auf das man gewartet hat.“

Viele der Berliner Marathonteilnehmer haben sich, anders als die 28-jährige Sandra Kuhne, vorbereitet. Obwohl die Themen vorher natürlich streng geheim sind, wurden Bilder auf gut Glück vorinszeniert. Manche wählten ein wiederkehrendes Motiv als roten Faden und vermieden so den Sturz ins Bodelose der Stadtbilder. „Das kann sehr reizvoll sein“, sagt Kuhne, „aber es wird eben auch schnell unlebendig.“ Für sie hat das, was auf dem Fotomarathon verlangt wird, viel mit Fotojournalismus zu tun. Spontan sein und originell, cool bleiben, auch wenn's zeitlich eng wird. Im nächsten Jahr wird Sandra Kuhne zur Berliner Fotomarathon-Jury gehören – auch das ist ein Teil des ersten Preises.

Und wenn alles nach Plan geht, gibt es vielleicht auch in Bremen schon im nächsten Jahr den ersten Fotomarathon. Den würde Sandra Kuhne nämlich gerne als Kooperation zwischen der Ottersberger Kunsthochschule, die keine Fotoprofessur hat, „aber viele Fotointeressierte“ (Kuhne) und der Bremer Kunsthochschule organisieren. hey

Die Serien der zehn besten Teilnehmer stehen im Internet unter www.fotomarathon.de .