Letzte Sondierung des Terrains

Der Nato-Chef für Europa, Josef Ralston, prüft in Mazedonien die Einhaltung des Waffenstillstandes. Heute könnte der Nato-Rat in Brüssel über einen Einsatz entscheiden. Die slawischen Mazedonier stehen der Aktion nach wie vor kritisch gegenüber

aus Skopje ERICH RATHFELDER

Am Flughafen waren die Wachen aufgezogen. Doch die Sicherheitsmaßnahmen hielten sich in Grenzen. Gestern traf der Oberkommandierende der Nato in Europa, General Josef Ralston, in Skopje ein, um sich über die Stabilität des Waffenstillstands zu informieren. Von seinem Besuch dürfte mit abhängen, wie sich der Nato-Rat voraussichtlich heute im Hinblick auf eine Truppenentsendung nach Mazedonien entscheiden wird.

Hinter den Kulissen scheinen die Weichen für den Einsatz der Nato-Truppen aber schon gestellt zu sein. Jetzt liegen die detaillierten Pläne für den Einsatz und die Struktur der 3.500 Mann umfassenden Truppe auf dem Tisch. Oberkommandierender der „Task Force Harvest“ wird mit General Gunnar Lange ein Däne sein, dessen Stab sich vor allem aus Briten zusammensetzt. Die Truppe wird in Bataillone untergliedert, die von Franzosen, Griechen, Briten und Italienern angeführt werden. US-Soldaten spielen bei der Nato-Truppe in Mazedonien eine untergeordnete Rolle, die 500 Mann umfassende deutsche Truppe wird unter französischem Befehl stehen.

Wie heikel die Mission ist, zeigt sich schon in dieser Befehlsstruktur. Dass die USA und Deutschland in der Hierarchie eine untergeordnete Rolle spielen, hat mit den Empfindlichkeiten der Gastgeber zu tun. Beide Länder werden von der slawisch-mazedonischen Bevölkerung als „Freunde“ der Albaner angesehen. Dass Griechenland zum „Freund der Mazedonier“ aufgewertet wird, hat ebenfalls mit dieser Rücksichtnahme zu tun.

Die ist offenbar auch nötig. Denn die Stimmung in der slawisch-mazedonischen Bevölkerung ist dem Nato-Einsatz keineswegs freundlich gegenüber eingestellt. Der Nato-Angriff auf Jugoslawien im Sommer 1999 wurde hier sehr kritisch gesehen. Und da die albanische Bevölkerung die Nato als ihre Schutzmacht ansieht, steht für die slawisch-mazedonische Bevölkerung fest, dass die Nato die Albaner unterstützen will.

In dieser vertrackten Lage Vertrauen zu gewinnen, fällt den Nato-Presseleuten nicht leicht, zumal die mazedonischen Medien die Vorurteile der Bevölkerung bestärkt. Um die Medien zu gewinnen, soll „ völlige Transparenz für die lokalen Medien gewahrt werden“, versprach gestern ein Nato-Sprecher. Für General Ralston sei es in Skopje vor allem darum gegangen, direkte Kontakte mit der Regierung Mazedoniens herzustellen und letzte Details zu besprechen, hieß es aus diplomatischen Quellen.

Im Nato-Pressezentrum klang etwas von den Zweifeln an, die alle jene Nato-Militärs befallen, die mit der Lage im Lande vertraut sind. Zwar wird der Einsatz anders als jener im Kosovo völkerrechtlich unanfechtbar sein, hat doch der mazedonische Präsident die Nato gebeten, bei der Entwaffnung der UÇK-Rebellen zu helfen. In einem Briefwechsel wurde das Mandat umschrieben und am 14. August „finalisiert“ und damit auch von der Regierung formell bestätigt.

Auf der Basis des so genannten Sofa-Abkommens, das die rechtliche Grundlage für die Präsenz der Nato-Truppen, die für die Versorgung im Kosovo zuständig sind, regelt, wird der Nato zugestanden, ein Hauptquartier zu errichten und alle Möglichkeiten zu nutzen, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden.

In dem Briefwechsel wurde auch festgelegt, dass sich die Nato-Truppen bei etwaigen Angriffen verteidigen können. Doch ein großes Risiko besteht: Es wird nicht bei dem 30-Tage-Einsatz bleiben können. Um Frieden zu schaffen, müsste die Umsetzung des politischen Abkommens überwacht werden. Die Nato-Truppen werden, so ist jetzt offenbar die Geschäftsgrundlage, bei Bedarf länger im Lande bleiben können. Ein Hintertürchen dafür sei bei den Verhandlungen geöffnet worden, hieß es aus den diplomatischen Quellen.