Abgeordnete wollen nicht folgen

Kanzler Gerhard Schröder glaubt weiter an eine Regierungsmehrheit für den Nato-Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien – doch die Kritiker in der Koalition lassen sich nicht einschüchtern. Parlamentarier wollen an Zustimmungspflicht festhalten

von MATTHIAS URBACH

Ganz egal wie die Nato heute entscheidet: Schon jetzt sind die Fronten zwischen Gegnern und Befürwortern des Einsatzes in Deutschland recht festgefahren. Während die einen daran zweifeln, dass die Nato die Waffen der UÇK-Rebellen innerhalb von 30 Tagen einsammeln kann, glauben die anderen an den Erfolg einer solchen Mission – und befürworten sie.

Mehrfach hatte der Kanzler in den vergangenen Tagen betont, dass eine Regierungsmehrheit für einen Nato-Einsatz zustande kommen werde. Gestern bekam er Unterstützung vom grünen Parteichef Fritz Kuhn. Nach dessen Worten seien „die Bedingungen für einen Einsatz im Wesentlichen erfüllt“. Zwar gebe es noch „ein paar offene Fragen“, doch er glaube, „dass die Regierung eine eigene Mehrheit zustande bringen wird“, so Kuhn.

Noch immer kommt jedoch Kritik von SPD und Grünen. So erklärte Harald Friese, der Wortführer der Einsatz-Kritiker in der SPD-Fraktion, gestern erneut: „Ich stimme nicht zu.“ Bereits 31 Abgeordnete der SPD hätten seine Erklärung unterzeichnet, dazu kämen einige Grüne. „Ich gehe im Moment davon aus, dass die Koalition in dieser Frage keine eigene Mehrheit hat.“

Ein Nato-Einsatz berge „unkalkulierbare Risiken“, argumentierte Friese, weil die Nato die Entwicklung nicht in der Hand habe. „Was passiert denn, wenn die UÇK die Waffen nicht abgibt, wenn die Nato-Soldaten angegriffen werden?“ Er wolle vermeiden, sagte Friese, dass die Nato in eine „militärische Eskalation“ hineinschlittere. Auch der grüne Abgeordnete Hans-Christian Ströbele ist skeptisch. Vieles sei noch unklar. „Was passiert eigentlich, wenn die Soldaten vor einer Scheune stehen und wissen, da drin sind 50 Maschinengewehre“, fragt Ströbele rhetorisch. „Dürfen sie dann reingehen? Oder müssen die Waffen aus dem Fenster rausgereicht werden?“

Ströbele und Friese verlangen ein Mandat der Vereinten Nationen (UN). Schließlich werde die Nato als pro-UÇK wahrgenommen, sagte Ströbele. „Und das ja nicht ohne Grund.“ Kuhn ist dagegen damit zufrieden, dass der UN-Sicherheitsrat eine Empfehlung für einen Entwaffnungseinsatz der Nato ausgesprochen hat.

Aus der FDP und der Union kommen ebenfalls kritische Stimmen. Ulrich Irmer, außenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, ist skeptisch, ob die Nato so schnell wie geplant fertig wird. „Ich habe persönlich Zweifel, dass das in 30 Tagen zu machen ist.“ Vermutlich brauche man eher „drei Jahre“. Dennoch kann sich Irmer eine Zustimmung vorstellen, wenn die Nato einen schnellen Abschluss plausibel mache. Ein UN-Mandat sei nicht erforderlich, weil die Kriegsparteien die Nato um Hilfe gerufen haben. Wichtig sei ihm aber, dass der Einsatz zur Not abgebrochen werden könne. „Wenn sich die Kriegsparteien sperren, dann gibt es nur einen Weg: Sofort wieder raus.“

Auch der frühere Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) glaubt, dass ein längerer und härterer Einsatz zu erwarten ist, kommt aber zu einem anderen Schluss. Er könne einem Einsatz nur zustimmen, sagte Rühe, wenn es ein ehrliches und robustes Mandat gebe.

Den Vorschlag seines Parteifreundes Wolfgang Schäuble lehnt Rühe ab, den Parlamentsvorbehalt bei Auslandseinsätzen abzuschaffen. Es sei gut, Hürden zu errichten, sagte Rühe, bevor man Soldaten einsetze. Damit hat Schäubles Vorschlag wenig Chancen, denn auch aus den anderen Parteien überwogen skeptische Stimmen. So lehnten FDP-Parteichef Guido Westerwelle sowie Fritz Kuhn den Schäuble-Vorstoß ab. Auch Friese kritisierte den Vorschlag scharf.

SPD-Generalsekretär Franz Müntefering fand Schäubles Anregung zwar „nicht abwegig“ – will darüber aber „irgendwann“ mal entscheiden. Bei solchen Sommerthemen ist das praktisch gleichbedeutend mit einer Ablehnung. Da nützt es Schäuble wenig, dass sich CSU-Landesgruppenchef Michael Glos auf seine Seite schlug.