Federn und Clownsschuhe

Peter von Rüden importierte den akrobatischen Federfußball aus China nach Nordrhein-Westfalen. Bei der Weltmeisterschaft im September liebäugelt der Trainer des deutschen Teams mit Platz drei

aus Hagen ULRIKE BOHNSACK

„Wir machen hier keine halben Sachen.“ Peter von Rüden ist nicht wirklich empört, er will nur klarstellen. Hobbykicker? Kopfschütteln. Immerhin befindet man sich gerade in einer Weltmeisterschaftsvorbereitung. Feierabendsportler? Nun, mit diesem Umstand hat wohl jede Randsportart zu kämpfen, wie mit der leeren Verbandskasse. Während der 54-jährige Hagener am Spielfeldrand sitzt und redet, wandern seine Augen mit dem Ball. Der nicht rollt, weil ihm dazu die Rundungen fehlen.

„Plock“ macht es, als die fünfmarkstückgroße, mit Federn gespickte Gummischeibe von einem Spieler mit der Fußinnenseite gestoppt wird. Plock. Der gelbrot gekleidete Kollege am Netz gibt mit einem artistischen Hackentrick die Vorlage für seinen Nebenmann. Der reißt das Bein in Kopfhöhe und schmettert den Ball mit der Fußsohle ins gegnerische Feld. Doch eine grünhemdige Brust lässt den Ball über die Netzkante purzeln. Leicht angefressen klaubt der eben noch Siegessichere den Ball auf. „Schön“, kommentiert von Rüden den gelungenen Block der Gegenseite. Er wippt mit den Füßen. Das sieht witzig aus, weil die in witzigen Schuhen stecken. Dünnes Wildleder, Gummisohle, die vordere Partie breit und rund. „Vietnam-Spezialschuhe“, sagt ein Spieler. Clownsschuhe würde auch passen.

„Federfußball lebt von Reaktionsschnelligkeit und Technik.“ Weniger von einer großen Anhängerschar, muss von Rüden bekennen, zumal es ja noch ähnliche Spiele wie Footbag bzw. Hacky Sack gibt. Seit er 1984 das Spiel aus China mitgebracht hat, versucht er, es populär zu machen. Gründete in Hagen seinen eigenen Verein, hängte seinen Job als Ingenieur an den Nagel und ist seitdem im Namen des Federfußballs unterwegs. Europaweit. Die grenzenlose Begeisterung auf diesem Kontinent reicht mittlerweile immerhin für Europameisterschaften. Und das Können ehemaliger „Schüler“ wie Ungarn, um die Deutschen in einem EM-Finale wie vor wenigen Wochen zu schlagen. „Ob man nun wie die Chinesen mit der Innenseite und in Turnschuhen spielt, oder wie die Vietnamesen gerade, sprich mit dem Zehenbereich, ist Ansichtssache.“ Peter von Rüdens Clownsschuhe wackeln erneut. China hat die WM-Krone im letzten Jahr an Vietnam abgeben müssen.

Auf dem Spielfeld geht das Plockplock munter weiter. Schmetterball, Variante zwei: Rückwärts zum Netz stehend, schlägt der Spieler ihn mit dem Spann. Ein Fallrückzieher ohne Fallen und mit hohem Bein. Der Punkt geht an Gelbrot. „Hüftsteif sollte man natürlich nicht sein“, lautet der trockene Kommentar. Mit dem einstigen Mädchen- und Kreisspiel, als das es in China eine jahrtausendealte Tradition hat (Grundprinzip: den Ball so lange wie möglich in der Luft halten), hat das Turnierspiel Federfußball nur noch entfernt zu tun. Für den Wettkampf auf dem Badmintonfeld sind noch ein paar Regeln hinzugekommen. Im Doppel und im Team, das aus drei Feldspielern plus einem Ersatzspieler besteht, muss spätestens der vierte Kick im gegnerischen Feld landen, im Einzel bereits der zweite. Blocken, Zuspielen, Stellen, Schmettern erinnern an Volleyball, doch auch echte fußballerische Elemente finden sich: Hand- und Armeinsatz sind verboten, Kopfballspiel ist dagegen erlaubt; gestoppt wird das Flugobjekt mit der Brust oder dem Fuß. So weit die Theorie, auf dem Spielfeld haben die Europäer allerdings der Filigrantechnik und der Sportartistik der Asiaten wenig entgegenzusetzen. Chinesen und Vietnamesen hauen ihren Gegnern die Bälle per Salto um die Ohren.

Die Zielsetzung für die WM im chinesischen Wuxi (17.–21. September) fällt entsprechend realistisch aus. Platz drei, wie im Vorjahr, wäre ein Erfolg. Das deutsche Team, natürlich mit dem Trainer Peter von Rüden und übrigens in der Schuhfrage durchaus gespalten, könnte auch als Nationalmannschaft Hagen antreten. Das „Tor zum Sauerland“ ist mit zwei Vereinen und insgesamt an die 50 Aktiven hierzulande die Hochburg des Federfußballs. Andere Vereine können ihre Mitglieder an einer Hand abzählen, aber dank gemischter Teams hat Nordrhein-Westfalen einen funktionierenden Spielbetrieb aufgebaut.

Von der Ersten Liga, natürlich Bundesliga genannt, bis zur Dritten Liga wird am Netz gekämpft um Aufstieg, gegen den Abstieg und um die Deutsche Meisterschaft. Um Letztere darf auch die Konkurrenz außerhalb NRWs, wenn es sie überhaupt gibt, mitspielen. Vorausgesetzt, sie platziert sich bei den „German Open“ unter den ersten sechs. Die Liga auf andere Bundesländer auszuweiten wäre zwar ganz in von Rüdens Sinn, organisatorisch jedoch ein nicht unerhebliches Problem. Und daran würde auch eine Aufnahme in den Deutschen Turnerbund nichts ändern. Die wird ohnehin abgelehnt: „Dann gäbe es ja höchstens Gaumeisterschaften.“ Und weder Nationalmannschaft noch Bundestrainer.