Senkrechtstarterin und Familienmensch

Silke Lautenschläger ist seit gestern hessische Sozialministerin und damit für Roland Kochs Lieblingsthema zuständig

Hessens Ministerpräsident Koch ernannte Silke Lautenschläger (CDU) im Eiltempo zur Sozialministerin. Die Neue ist eine schmale Person mit fransigem Pony und Brille. Sie hat ein offenes Lächeln und ist so jung wie kaum eine der CDU-Frauen im Landtag.

Die Rechtsanwältin Silke Lautenschläger ist 32 Jahre alt und wird nach dem überraschenden Rücktritt ihrer Vorgängerin Marlies Mosiek-Urbahn die jüngste Ministerin Deutschlands sein. Als Landtagsabgeordnete ist sie bisher ein unbeschriebenes Blatt. Die Darmstädterin engagierte sich in der Jungen Union, wurde 1997 in den Bezirksvorstand Hessen Süd gewählt und profilierte sich im Gemeinderat Modautal und im Kreistag in der Provinz. 1999 wurde sie mit einem Direktmandat, das sie der SPD abnehmen konnte, Landtagsabgeordnete.

Lautenschlägers plötzlicher Aufstieg von der Hinterbänklerin zur hessischen Sozial- und Familienministerin ist ein Senkrechtstart. Zuvor war die als durchsetzungsfähig und ehrgeizig geltende Frau nur dadurch aufgefallen, dass sie, CDU-Musterbeispiel für die Vereinbarkeit von Mutterrolle und Beruf, ihr zweites Kind während der Legislaturperiode bekam und den mittlerweile einjährigen Nachwuchs gelegentlich telegen während der Fraktionssitzungen präsentierte. Qualifikationen erwarb sie sich bisher als Mitglied des sozialpolitischen Ausschusses im Landtag. Dort war sie Sprecherin für Kinder, Jugend und Familie.

Ministerpräsident Roland Koch (CDU) gestaltete diese Vita gestern mit väterlichem Lächeln zur politischen Befähigung um. Wer als junge Frau Beruf und Familie so gut miteinander vereinbaren könne, sei auch den Anforderungen des Ministeramtes allemal gewachsen. Silke Lautenschläger übernimmt von ihrem Regierungschef eine heikle Hypothek. Gleich nach der Vereidigung wird sie ihre Koffer am Freitag für eine Reise in den US-Bundesstaat Wisconsin packen müssen und dabei die Vorgabe mit sich schleppen, dass Roland Koch die Sozialpolitik seit einigen Wochen als populistisches Wahlkampfthema besetzt hält. Der Sozialausschuss wird sich das dort praktizierte und von Koch propagierte Sozialhilfemodell ansehen müssen. Eine solche Vorgabe wird den eigenständigen Einstieg in das neue Amt für Lautenschläger nicht leichter machen. Kaum ernannt, stellte sie sich gestern während ihrer ersten Pressekonferenz brav hinter Kochs Pläne, die Zahl der hessischen Sozialhilfeempfänger durch Fördern und Fordern zu halbieren. Diese Vorabloyalität geriet ihr eher hilflos. Zwar kenne sie, sagte sie, das Wisconsinmodell „noch nicht im Detail“, halte es aber dennoch „für einen sinnvollen Ansatz“. Ihren besonderen Schwerpunkt, ließ sie wissen, sehe sie in der Förderung von Familien mit Kindern. Das qualifiziert sie zumindest zur Vorzeigefrau der Union.

CDU-Generalsekretär Michael Boddenberg sah gestern in ihrer Ernennung „ein wichtiges Signal für die Zukunft“. Er gab die richtige Richtung für die junge Ministerin noch einmal deutlich vor. Er sei sich sicher, dass Lautenschläger „mit einer Fülle von praktischen Umsetzungsvorschlägen“ aus Wisconsin zurückkehren werde.

Die Grünen gestanden ihr gestern die Schonfrist der „üblichen hundert Tage“ bei der Arbeit „im finanziellen Steinbruch“ hessischer Sozialpolitik zu.

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