Mit vollen Segeln ins Kino!

■ Das 3. Filmfest-Maritim findet im Kino 46 statt. Für umsonst gibt es Lieblings-Schinken wie die „Meuterei auf der Bounty“ mit Marlon Brando und die Lebensgeschichte des Elsflether Kapitäns Hans Warns, der mit Viermaster „Herbert“ nach Chile schipperte

Das Wichtigste zuerst, denn keine noch so enthusiastische Filmkritik kann die Stuhlreihen im Kino 46 so füllen wie die beiden magischen Worte: „Eintritt frei“. Eine knappe Woche lang kann man umsonst im Waller Medienzentrum Filme ansehen, die auf die hohe See entführen. Zum dritten Mal findet dort im Rahmen der „Maritimen Woche“ ein Filmfestival statt, das von der „BLG Logistics Group“, der ehemaligen „Lagerhaus Gesellschaft“ so großzügig gesponsort wird, dass das Publikum gar nichts dazubezahlen muß. Insgesamt sieben Filme werden von heute bis Dienstag gezeigt werden, darunter einige oft und gerne gesehene wie „Meuterei auf der Bounty“ mit Marlon Brando (Sa. & Mo. 20.30 Uhr), James Camerons Unterwasser-Science-Fiction-Spektakel „The Abyss“ (Di. 18 Uhr), nicht nur für die Kinder „Muppets – die Schatzinsel“ mit Kermit als Jim Hawkins und Waldorf & Satler als Gallionsfiguren (Fr.& Sa. & So 16 Uhr), und den Schwank in Gelsenkirchener Biedermeier „Drei Mann in einem Boot“ mit Heinz Ehrhard und Hans-Joachim Kulenkampff (So. 18.30 Uhr).

Viel Sitzfleisch braucht das Publikum am Freitag um 20.30 Uhr, denn dann wird „Das Boot“ gezeigt, nicht etwa in dem vergleichsweise kurzen Director's Cut, sondern in der Fernsehfassung von fünf etwa einstündigen Folgen. Das sind 312 satte Minuten in einem Tauchgang, dazwischen gibt es allerdings eine Pause mit Mitternachtsbuffet, das in schönstem Seemannsdeutsch „Mittelwächter“ genannt wird. Eine Rarität ist der 50 Minuten lange Dokumentarfilm „Die Rettung der Ltrabjarg“, der die schwierige und tagelange Rettungsaktion eines gestrandeten Schiffes im Jahre 1947 zeigt, die ein zufällig gerade anwesendes Kamerateam filmte (heute & Mo. 18.30 Uhr).

Der wichtigste und wohl auch schönste Film dieser Woche ist aber „Hans Warns – Mein 20. Jahrhundert“, der als Erstaufführung präsentiert wird (heute & So. 20.30 Uhr, Fr. & Sa. 18.30 Uhr). Der Elsflether Kapitän Hans Warns hat sein Leben lang – seit er mit vierzehn als Schiffsjunge zu seiner ersten großen Fahrt aufbrach – Fotos und später Schmalfilme von seinen Seefahrten gemacht. Diese und seine Lebensgeschichte sind die Basis des Films, der aber trotzdem kein reiner Dokumentarfilm ist. Regisseur Gordian Maugg inszenierte nämlich die Schlüsselszenen des Seemannslebens mit Schauspielern nach und fuhr für Filmaufnahmen auch zu einigen damaligen Reisezielen.

So sehen wir in verblichen scheinenden Stummfilmaufnahmen mit Zwischentiteln den jungen Schauspieler Florian Höber als den vierzehnjährigen Hans Warns, der mit dem Viermastsegler „Herbert“ nach Chile schipperte, um dort Salpeter für das deutsche Reich zu laden. Doch durch die Seeblockade der Allierten mussten Schiff und Besatzung jahrelang vor Chile ankern. Der junge Hans Warns fotografierte mit seiner Kamera die Kameraden, das Schiff, die trostlose Wüstenlandschaft und die Langeweile.

So intensiv wie in diesen ersten 20 Minuten wird der Film jedoch nicht wieder werden. Dafür aber wird Warns Leben immer interessanter: im Deutschland der Inflation von 1921 kann er sich gerade eine Handvoll Zigarren für seine Heuer von sechs Jahren kaufen. Deshalb gründet Warns ganz schnell mit seiner Jugendliebe Olga eine Familie in Elsfleth und geht wieder auf große Fahrt. 1936 besteht die Ladung seines Schiffs aus getarnten Flugzeugteilen für die „Legion Condor“ im spanischen Bürgerkrieg. Als Kapitän bricht er im Zweiten Weltkrieg auf seinen Fahrten nach Norwegen die Seeblockade der Engländer. Im Dienste der Deutschen Kriegsmarine geht er auf Kaperfahrten in den Südatlantik. Nach dem Krieg war Warns noch bis zum Rentenalter als Kapitän von Handelsschiffen auf See.

Je älter desto schöner – das gilt nicht nur für die Fotos von Warns, sondern auch für Mauggs Nachempfindungen: die Ausschnitte von deutschen Kriegswochenschauen sind längst nicht so intensiv und originell geschnitten wie die Bilder von Warns Chilereise. Einmal ist der Übergang dabei so raffiniert, das sich die von Warns aufgenommene Strandszene plötzlich ohne Bruch in Mauggs Nachinszenierung verwandelt. Oder hat Maugg etwa auch dieses Foto gefälscht?

Denn es gibt eine Schwachstelle bei diesem ästhetisch und erzählerisch sonst so gelungenen Film, und die liegt darin, dass man die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion schwer erkennen kann. Im Nachhinein kommen einem einige Episoden allzu romanhaft vor. Aber Maugg beteuert, alle Fakten seien von Nachkommen des Schippers beglaubigt worden. Vielleicht hat ja schon Hans Warns selbst seine Abenteuer ein wenig ausgemalt – ob und wer da nun Seemannsgarn gesponnen hat, ist jetzt unmöglich zu erraten.

Aber dass nicht alles Fake ist, belegt die Foto-Ausstellung „Die seltsame Reise des Seglers „Herbert“ von 1914-1921“ mit den wunderschönen Bildern des damaligen Schiffsjungen Hans Warns. Diesesind im Foyer und in den Gängen des Medienzentrums aufgehängt, so dass dort auch außerhalb des Kinos eine sehr maritime Stimmung herrscht. Wilfried Hippen