Senden aus dem Faulenquartier?

■ Ein Gutachten bescheinigt: Der beste Standort für Radio Bremen wäre das Faulenquartier, der Umzug dorthin allerdings teuer. Die CDU fasst sich an den Kopf, die SPD hält ihre schützende Hand über den Sender

Heute hier, morgen dort: Dass Radio Bremen Umzugswünsche hegt, ist lange bekannt. Gestern nun wurden dem Rundfunkrat des Senders die Ergebnisse eines 350.000 Mark teuren Gutachtens präsentiert. Demnach ist – nach Prüfung aller von Radio Bremen und der Bremer Investitionsgesellschaft vorgegebenen Kriterien – eine Ansiedlung von Radio Bremen Funk und Fernsehen im Faulenquartier die beste Lösung. Der Sender könnte demnach ins Parkhaus mit Weserblick an der Diepenau und ins ehemalige Saturn-Kaufhaus, ein angeschlossenes Kompetenzzentrum an die Faulenstraße.

Zu den Vorgaben gehörte, dass die jetzigen Produktionsstätten für Fernsehen in der Hans-Bredow-Straße und für Hörfunk, derzeit in der Bürgermeister-Spitta-Allee, zusammengefasst werden. Der Sender, der nach einer Neuregelung des ARD-Finanzausgleichs jährlich 50 Millionen mehr erwirtschaften muss, verspricht sich davon Einsparungen im technischen wie auch im personellen Bereich.

Neben betriebswirtschaftlichen Berechnungen und Kosten für Investitionen haben die Gutachter verschiedene Standorte auch auf ihre Zentralität, ihre Verkehrsanbindung, ihre Auswirkungen auf die Stadtentwicklung und auf die Entwicklungschancen eines Medienkompetenzzentrums geprüft.

Dass die jetzigen Liegenschaften in der Hans-Bredow-Straße mit ihrer Randlage im Osten der Stadt unter diesen Bedingungen nicht glänzen würden, war absehbar. Unter finanziellen Gesichtspunkten aber – so erläuterte gestern Jens Eckhoff, Fraktionsvorsitzender der CDU – sei die Konzentration am Fernsehen mit 82,3 Millionen Mark am günstigsten veranschlagt. Der Umzug ins Faulenquartier sei mit geschätzten 101,8 Millionen Mark dagegen die teuerste Variante. Der Sender müsse jetzt überlegen, ob er sich einen solchen Umzug leisten könne. Wirtschaftsfördermittel für einen Umzug werde es mit der CDU sicherlich nicht geben. Auf einer Sitzung im Rathaus vor zwei Tagen, als das Gutachten bereits mündlich vorgestellt wurde, sei zudem, so Eckhoff, von einer „Fehlerquote“ bei der Investitionsschätzung von bis zu 30 Prozent die Rede gewesen.

Dagegen attestiert die SPD dem Gutachten der Firmen Axon und Gfl eine sorgfältige Prüfung der Einsparmöglichkeiten an den unterschiedlichen Standorten. Dabei habe sich gezeigt, dass das Quartier Faulenstraße/Diepenau am besten geeignet sei, die Betriebskosten dauerhaft zu senken. Allerdings verlangt auch die SPD, dass nun Finanzierungsvorschläge für alle Alternativen erarbeitet werden. Zu den Alternativen zählten auch Standorte am Bahnhofsvorplatz und in der Hafenvorstadt.

Radio Bremen – der Sender will das Gutachten nicht veröffentlichen und verschickte gestern lediglich eine knappe Presseerklärung – will nun „ein Verfahren für die Entscheidungsfindung beschreiben“.

Umstrittenes Mediezentrum

Zu den Streitpunkten gehört ganz sicher das geplante Medienkompetenzzentrum. Ein großes Haus für private Produktionsfirmen, für Multimedia-Unternehmen, aber auch für ausgesourcte Radio-Bremen-Mitarbeiter, die dort eine neue Arbeitsstätte finden sollen, ist seit Jahren im Gespräch – ob es für ein solches Haus in Bremen Bedarf gibt ist indes noch nicht geklärt. Von der Ansiedlung einen solchen Kompetenzzentrums machen die Gutachter den Umzug Radio Bremen unbedingt abhängig. Immerhin könnte dort auch für Raduio Bremen produziert werden. Während die BIG als eine der Auftraggeberinnen des Gutachtens gestern deutlich machte, dass eine Bedarfsanalyse ausdrücklich nicht zu den Aufgaben der Expertise gehörte, monierte Jens Eckhoff von der CDU eine Prüfung der Rentabilität. Bremen spiele als Medienstadt in der Regionalliga, selbst Hamburg leide unter der Anziehungskraft der Hauptstadt Berlin.

Hinzukommt, dass Medienunternehmen in Bremen auf das Faulenquartier in seiner jetzigen Form nicht sonderlich scharf sind. So bekräftigte der Medienunternehmer Detlef Hanke vom mulitmediahaus an der Schwachhauser Heerstraße, dass die drei dort ansässigen Firmen mit über 100 Mitarbeitern eindeutig den Teerhof als Medienstandort bevorzugen würden. Das Faulenquartier leide unter „mangelnder Qualität“ und könne vielleicht „in einigen Jahren“ attraktiv sein. Wenn der Standort überhaupt in Frage käme, dann nur, wenn dort eine besondere bauliche Qualiät geschaffen würde, und das auch von der öffentlichen Hand. Auch andere in Bremen ansässige Medienfirmen äußerten sich gestern auf taz-Anfrage skeptisch.

Carsten Sieling, der baupolitische Sprecher der SPD, würde allerdings genau deswegen gerne auf den Baustein Medienzentrum setzen. „Wenn wir in Bremen zur Zeit Regionalliga in diesem Feld spielen, dann müssen wir doch versuchen aufzusteigen“, forderte er. Aber auch der Fraktionsvorsitzende der SPD Jens Böhrnsen verlangte in seiner Erklärung eine genaue Prüfung des „tatsächlichen Interesses von Dritten und deren finanzieller Beteiligung“. Wenn die arbeitsmarktpolitischen Effekte geklärt seien, könne man über eine Förderung nachdenken.

Eine solche Förderung mahnte gestern unter anderem der Immobilienunternehmer Michael Bongartz, dem Gebäude und Grundstücke im Faulenquartier gehören, auf Anfrage an. „Ohne öffentliche Hilfe ist die Entwicklung dieses Gebietes nicht denkbar, immerhin hat die öffentliche Hand dafür gesorgt, dass das Viertel heute von der Innenstadt abgeschnitten ist“, mahnt der Sprecher der Projektentwicklungsgesellschaft Faulenquartier. „Das Gebiet schreit nach Entwicklung“, begrüßte er einerseits die Präferenz des Gutachtens. Allerdings findet er die Entscheidung für das Parkhaus Diepenau – es befindet sich im Besitz der Brepark – als neues Zuhause von Radio Bremen nicht optimal. „Das Parkhaus liegt in der zweiten Reihe, der Sender sollte lieber an der Straße die Aufbruchsstimmung signalisieren.“ Gemeint ist damit das ehemalige Bamberger-Kaufhaus an der Faulenstraße und das Gelände, auf dem die Weinhandlung Eggers&Franke früher ihren Firmensitz hatten. Diese Fläche ist aber für das Medienkompetenzzentrum vorgesehen.

CDUler Jens Eckhoff sieht in beidem nicht das Ei des Kolumbus zur Aufwertung des Stadtteils. Im Gegensatz zu Bausenatorin Christine Wischer, die das Ergebnis des Gutachtens gestern aus stadtplanerischer Sicht eindeutig begrüßte, wünschte er sich für's Faulenquartier einen „Frequenzbringer“. Und der sei eben nicht Radio Bremen sondern ein Kaufhaus oder Vergleichbares. Elke Heyduck