„Er füllt das Vakuum“

Fischers Friedensbemühungen wecken in Israels Öffentlichkeit neue Hoffnungen. Die palästinensische Seite bezweifelt einen Erfolg

JERUSALEM taz ■ Ungeachtet der Bemühungen von Bundesaußenminister Joschka Fischer, Israelis und Palästinenser zu einer Annäherung zu bringen, dauert die Gewalt im Verlauf seines Nahostbesuches unverändert an. Nur wenige Stunden nachdem sich Außenminister Schimon Peres und Palästinenserpräsident Jassir Arafat auf ein Treffen, das möglicherweise Anfang nächster Woche in Berlin stattfinden wird, geeinigt hatten, starben fünf Palästinenser im Kugelfeuer israelischer Soldaten.Nach Angaben des Armeesprechers handelte es sich bei den Opfern um Terroristen, die auf frischer Tat ertappt worden seien. „Bei Durchsuchungen der fraglichen Gegend wurde eine Bombe gefunden“, hieß es in der offiziellen Mitteilung. Die palästinensische Version spricht hingegen von „vier zivilen Todesopfern“, die erschossen worden seien, als sie die Leiche eines führenden Intifada-Aktivisten bergen wollten.

Außenminister Joschka Fischer traf am letzten Tag seiner Nahostreise mit weiteren israelischen Politikern zusammen, darunter Parlamentspräsident Abraham Burg und Vertreter der Opposition. Fischer unterstrich seine Hoffnung auf ein baldiges Ende der Gewalt.

In der israelischen Presse wird sein Engagement hoch anerkannt. „Fischer ist in den vergangenen Wochen zum einzigen internationalen Staatsmann geworden, der bereit ist, zwischen Israel und den Palästinensern zu vermitteln“, schreibt Amira Hass von der Tageszeitung Ha’aretz. Von einer politischen Kehrtwende des Außenministers spricht der Korrespondent des Hörfunksenders Stimme Israel, Daniel Dagan. Sei Fischer zunächst propalästinensisch eingestellt gewesen, zeige er sich unterdessen „ausgesprochen einfühlsam für die Belange Israels“. Dagan vergleicht das persönliche Engagement des Bundesaußenministers im Nahen Osten gar mit dem Einsatz des früheren US-Präsidenten Bill Clinton.

Adar Primon, außenpolitischer Redakteur der Ha’aretz, glaubt, dass Fischer zumindest in den Augen der israelischen Presse unterdessen eine größere Bedeutung zukommt als etwa dem EU-Abgesandten Javier Solana. So habe er sich im Juni mit Arafats Ja zum Waffenstillstand „einen Ruf verschafft, der ihm immer noch zu Gute kommt“. In Jerusalem sei die Hoffnung aufgekommen, dass „hier endlich einer ist, der das von den Amerikanern hinterlassene Vakuum füllen kann“. Hinzu komme, dass die Bundesrepublik innerhalb der EU der „wichtigste Partner“ sei, was „ja auch Premierminister Ariel Scharon im Rahmen seiner Deutschlandreise schon offen ausgesprochen hat“.

Auf palästinensischer Seite wird der Einfluss Fischers indes eher skeptisch betrachtet. „Ich glaube nicht, dass ein europäischer Staat die Rolle der USA übernehmen kann“, meint Hussam Asadin, Redakteur der Ostjerusalemer Tageszeitung Al Ayam. Nach Meinung von Asadin haben „nur die Amerikaner die Macht, den notwendigen Druck auf Israel auszuüben“. Dazu komme, dass kein europäischer Staat autonom agieren könne. Nichtdestotrotz erkennen die Palästinenser die Rolle des „neutralen und objektiven“ Fischer an, der zu einer „zentralen Figur“ im Friedensprozess geworden sei. SUSANNE KNAUL