IN MAZEDONIEN PROBT DER WESTEN ERSTMALS DIE KRIEGSVERHINDERUNG
: Dem Frieden eine Chance

Die Nato-Aktion in Mazedonien ist notwendig. Sie soll Frieden schaffen und einen Versöhnungsprozess zwischen den Bevölkerungsgruppen einleiten. Und sie ist der erste Versuch der Nato, präventiv einen Krieg oder die Ausweitung eines Krieges zu verhindern. Angesichts der Erfahrungen in Kroatien, Bosnien und im Kosovo, wo erst gehandelt wurde, als das Kind schon in den Brunnen gefallen war, ist das ein verdammt faszinierender Vorgang.

Natürlich birgt das Ganze auch Risiken. Die Feinde der Nato in Mazedonien lassen sich leicht verorten: die Nationalisten auf beiden Seiten, die den Krieg wollen. Auf der slawisch-mazedonischen Seite gibt es nicht wenige, die am liebsten die gesamte albanische Bevölkerung aus dem Lande treiben wollen. Und auf der albanischen Seite gibt es die Option, den albanisch kontrollierten Teil irgendwie mit dem Kosovo und/oder Albanien zu vereinigen. Beide extremistischen Seiten erhalten Unterstützung von jenen Kräften im Westen, die wie Henry Kissinger, der Mentor der US-Außenpolitik, für ethnisch reine Staaten auf dem Balkan eintreten und die Grenzen verändern wollen.

Eine demokratische und menschenrechtlich fundierte Politik kann solchen Vorschlägen nicht folgen. Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, auf seine Heimat, auf sein Eigentum, auf Rechtssicherheit. Ethnische Säuberungen sind aus diesem Blickwinkel ein Verbrechen. Wenn nun die EU und die Nato dafür eintreten, die multikulturelle Gesellschaft Mazedoniens zu erhalten, den von Präsident Boris Trajkovski selbst propagierten „Bürgerstaat“ zu unterstützen, dann sind die Weichen in die richtige Richtung gestellt.

Es wird nicht einfach werden, diese Politik umzusetzen. Das Mandat, einfach nur Waffen einzusammeln, reicht dafür selbstverständlich nicht aus. Wenn die Nato und die EU aber jetzt schon davon ausgehen, dass der Friedensprozess weit gefächert sein muss, dass Vertrauensbildung an erster Stelle steht, dass der Waffenzufluss für alle Seiten gestoppt und der politische Prozess weitergeführt werden muss, erzwingt dies eine Verlängerung der Präsenz und eine Verbreiterung des Mandats nicht nur der Nato-Truppen, sondern auch anderer internationaler Institutionen. Man könnte diese Anstrengungen auch in einer gemeinsamen OSZE/UN-Mission bündeln. Wichtig aber ist, dem Frieden eine Chance zu geben. Und ohne anfänglich Nato-Truppen einzusetzen, wird der Friedensprozess scheitern müssen. ERICH RATHFELDER

Der Autor ist Balkan-Korrespondent der taz. Gestern erläuterte an dieser Stelle Andreas Zumach, taz-Korrespondent für internationale Politik, seine Einwände gegen den Nato-Einsatz