„Wir wollen keine Drogenbarone“

Bayerns CSU-Innenminister Günther Beckstein schließt eine Einigung mit der Bundesregierung nicht aus. Bedingung: Klare Zuwanderungsbegrenzung

Interview LUKAS WALLRAFF

taz: Herr Beckstein, Sie haben jetzt Otto Schilys Gesetzentwurf durchgelesen. Hat es Ihnen Spaß gemacht?

Günther Beckstein: Nur sehr partiell. Ich verhehle nicht, dass eine Reihe von Dingen aufgenommen wurden, die ich für richtig halte – insbesondere im Bereich, wo es um Aufenthaltsbeendigung von abgelehnten Asylbewerbern geht. Ganz anders sieht es aus, wo es um neue Zuwanderungsmöglichkeiten geht. Insgesamt bin ich sehr enttäuscht.

Warum? Sie wollten „mehr Ausländer, die uns nützen“. Schily geht doch genau in diese Richtung. Er will Zuwanderung nach den deutschen Bedürfnissen „steuern und begrenzen“.

Einspruch! Das sagt nur die Überschrift. Im Entwurf selbst ist eine Begrenzung nicht zu erkennen. Im Gegenteil, ein solches Gesetz würde eine massive Erweiterung der Zuwanderung ermöglichen.

Wieso? Schily will nur eine sehr geringe Zahl von Zuwanderern.

Das stellt der Entwurf nicht sicher. Es ist in vielen Bereichen keine Begrenzung durch ein Kontingent oder eine Quote vorgesehen. Es gibt keine Regelung, die die Integrationskraft berücksichtigt. Und bei der Zuwanderung von Selbstständigen ist das Gesetz viel zu großzügig. Es darf doch nicht sein, dass Drogenbarone aus Kolumbien etwa mit einem Kunsthandel nach Deutschland kommen und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht bekommen.

Aber dass Hochqualifizierte kommen sollen, dem stimmen Sie zu?

Auch hier müsste es eine Bindung an den Arbeitsmarkt geben. Schily sagt außerdem nicht, was ein Hochqualifizierter eigentlich ist . . .

Was wäre denn Ihre Definition?

Ich habe immer von Höchstqualifizierten gesprochen. Ich will deutlich machen, dass ein Kellner, Koch oder Krankenpfleger nicht darunter fallen kann. Wir müssen uns um Spitzenleute bemühen. Noch problematischer ist, dass Zuwanderung ohne konkreten, dauerhaften Arbeitsplatz ermöglicht wird.

Muss ein langfristiges Zuwanderungsgesetz nicht flexibel sein?

Die im Entwurf erstmals ermöglichte demografische Zuwanderung ist für mich intellektuell der eigentliche Umstieg zum klassischen Einwanderungsland, dass man sagt, wir brauchen hierfür Menschen. Das halte ich für falsch. Wir wollen nicht mehr Zuwanderung, sondern wir wollen eine andere – eine, die unseren Interessen entspricht. Das wird im Entwurf nicht sichergestellt.

Halten Sie einen Kompromiss trotzdem noch für möglich?

Ich bin eher pessimistisch, aber ich will es nicht ausschließen – wenn unsere Bedingungen erfüllt werden.

Zu einem Kompromiss gehört, dass man aufeinander zugeht. Wie Sie selbst sagen, hat Schily das schon getan. Jetzt sind Sie dran.

Nein, die Bundesregierung. Die Union hat ihre Grundsätze längst vorgelegt. Über Details kann man sich immer unterhalten. Da gibt es vielleicht den einen oder anderen Punkt, wo man nachgibt. Das ist völlig klar. In einem gibt’s aber für uns kein Nachgeben: Wir wollen keine Erweiterung der Zuwanderung. Da gibt es noch Grundsätzliches zu klären.

Wollen Sie eine Entscheidung erst treffen, wenn die Frage der Kanzlerkandidatur geklärt ist?

Ich sehe da keinen Zusammenhang. Themen des Ausländerrechts können im Wahlkampf immer eine gewisse Rolle spielen – egal, ob das Gesetz kommt oder nicht, und egal, wer kandidiert.

Aber Frau Merkel dürfte es schwerer fallen, ein Nein zu vertreten.

Also, ich will das positiver formulieren: Die Bayern haben immer etwas klarere Positionen. Wir legen Wert darauf, dass der Bürger die Aussagen versteht.

Wie erklären Sie dann den Zickzackkurs der CSU? Erst haben Sie Schily vor lauter Begeisterung den Parteieintritt angeboten, dann kam ein kategorisches Nein, jetzt ein Jein . . .

Also dazu hat Schily doch selber beigetragen. In seiner ersten Darstellung seines Entwurfs hat er nur die Begrenzung betont und alles herausgestellt, was das grüne Lager ärgert. Aber als wir den später eingetroffenen, umfangreichen Gesetzentwurf genauer gelesen haben . . .

Hat Schily Sie ausgetrickst?

Nein, aber es ist sicher richtig, dass dadurch in der Öffentlichkeit die Diskussion für uns nicht optimal gelaufen ist. Und Schily muss klar sein, dass durch ein solches Verhalten die Einigung wesentlich erschwert wird. Man wird jetzt bei allen weiteren Dingen ganz genau hinschauen müssen.

Der Kabinettsentwurf wird im September vorgelegt. Werden Sie sich vorher noch mal mit Schily treffen?

Es ist ja kein Geheimnis, dass wir uns ganz gut verstehen. Und ich will es nicht ausschließen, dass Herr Schily, ich und andere uns noch einmal treffen.

Welche Überschrift wäre Ihnen am Ende lieber: „Grüne unterschreiben Schily-Beckstein-Gesetz“ oder „Beckstein verhindert Schily-Gesetz“?

Die liebste Überschrift wäre mir: „Schily und Beckstein machen ein Beckstein-Gesetz und Grüne lehnen ab“.

Also gar kein Gesetz.

Warum? SPD und CDU/CSU hätten doch sehr schnell eine Mehrheit . . .