Schaue und arbeite

Lagern und bewundern: Denkmalgeschützte 50er Schuppen an der Kaizunge in der Hafencity sollen museal teilgenutzt werden  ■ Von Petra Schellen

Wann wird Leben museal? Und wie weit reicht Museales in die Gegenwart hinein? Fragen, die sich etwa in den 90ern in der ehemals sozialistischen Modellstadt Eisenhüttenstadt stellten, die – so eine kurzfristige Idee anno 1994 – komplett zum Museum werden sollte. Momente, in denen sich die großteils arbeitslose Bevölkerung in der EKO-Stahlwerk-Stadt fragte, ob sie dann nur noch als Zoogetier gebraucht würde.

Ungleich harmloser nimmt sich dieser Spagat im Hamburger Hafen aus, wo Museumsbetrieb und laufende Lagerarbeiten nebeneinander stehen sollen. Das endgültige Votum für eine Unter-Denkmalschutz-Stellung der 50er-Jahre-Schuppen, der letzten erhaltenen Stückgut-Lagerhäuser fiel, so Denkmalschützerin Gabriele Bohnsack-Häfner, im November vorigen Jahres. „Kathedralen der Arbeit“ werden die Hallen auch genannt, weil sie – mit hohem Mittel- und niedrigeren Seitenschiffen – der Innenarchitektur einer frühchristlichen Basilika ähneln.

Dem schnellen Warenumschlag dienten – anders als die auf längere Lagerzeiträume ausgerichtete Speicherstadt – die 50er Schuppen, die 10.00 bis 12.000 Tonnen Waren fassen. Dem zügigen Be- und Entladen von Schiffen an beiden Kaimauern diente auch die Kaizunge zwischen Australiakai und Bremerkai, deren Konstruktion – eine Hamburger Erfindung – Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens war.

Allein – bei der Bewunderung vergangener Erfindungen bleibt die Vision der Denkmalschützer nicht stecken: Nur die Hälfte der Schuppen soll als Museum, die andere für aktuellen Lagerbetrieb genutzt werden. Eignerin soll dereinst die Stiftung Maritim sein; das Übertragungsverfahren läuft derzeit. Und die Finanzierung? „Die Unternehmen lagern schon jetzt ihre Waren in einigen Hallen und zahlen dafür . Diese Miete ist für die museale Umgestaltung der Schuppen bestimmt“, sagt Gabriele Bohnsack-Häfner.

Nostalgisch werden wollen die Denkmalschützer darob aber nicht: „Es ist zwar traurig, dass durch das Verschwinden der Stückgutlagerung etliche Arbeitsplätze verlorengegangen sind – Mitte der fünfziger Jahre arbeiteten rund 60.000 Menschen im Hafenbereich, jetzt sind es noch 6.000“, berichtet Achim Quaas, Oberkustos des Museums der Arbeit, das neben dem Museum für Hamburgische Geschichte und dem Altonaer Museum einer der Kooperationspartner des Projekts ist. Einen rückwärtsgewandten Blick propagiert er deshalb aber keineswegs. „Man muss allerdings wissen, woher man kommt, einen Teil eines solchen Ambientes bewahren – und wer weiß, vielleicht wird man irgendwann mal auf veraltet geglaubte Modelle und Ideen zurückgreifen.“

Vorläufig aber sollen alle Ener-gien auf den Ausbau der Museumslandschaft an der Kaizunge verwandt werden, die ganz ungefährdet auch nicht ist: Die Kopfbauten – das Bürohaus an der Kaizunge etwa – liegen im hochwassergefährdeten Bereich. „Hier müssten Schutzmaßnahmen getroffen werden“, sagt Bohnsack-Häfner. Andererseits wolle man den Ausblick auf die Stadt nicht verbauen.

Aber dies ist ein harmloser unter etlichen Widersprüchen und Kompromissen, mit denen die Denkmalschutzbehörde zu leben hat. Vorläufig sind ihre Vertreter froh, das Gebiet als schützenswürdig eingestuft zu haben. „Wir hoffen, dass wir die Schuppen noch in diesem Jahr unter Denkmalschutz stellen können“, sagt Denkmalschutzamts-Leiter Eckart Hannmann. Und neben der Konkretisierung einer von Pragmatikern lange als unrealistisch betrachteten Vision werde natürlich auch, so Senatorin Weiss, am Finanzierungskonzept gearbeitet.

Konkretes sagt sie zwar noch nicht. „Aber der erste Schritt ist getan.“ Und das Nebeneinander von Museum und realem Arbeitsambiente lässt vielleicht – ein dezenter didaktischer Effekt – einen weitaus plastischeren Eindruck vergangener Nutzung der Hallen entstehen, als es in drögen Museen konventioneller Machart der Fall ist.