Bloß kein Weichei

■ Modelcasting im Weserpark: Schönheit, erklären die Models in spe, sei mehr als ein äußerer Wert. Gestern war das Nebensache: „Gewinnen wollen hier doch alle“

Freitagnachmittag im Weserpark: überall junge Frauen mit langen blonden Haaren. It's Casting Day: Von 250 BewerberInnen hatte die Agentur „Fashion Time“ 85 eingeladen, die ersten Schritte auf einem kurzen Laufsteg zu probieren.

„Der erste Tag war schon ganz schön aufregend“, erzählt Uwe. Der 26-Jährige hat zwar eigentlich kein Problem damit, sich zu exponieren. „ Aber sowas macht man ja nicht jeden Tag“, sind sich Oscar, Uwe und Mohammed Salim einig. Auch, dass die angehenden Markus Schenkenbergs und Claudia Schiffers in der zweiten Auswahlrunde tanzen sollten, machte Uwe nicht recht froh. „Da muss ich erst mal gucken, ob ich das mitmache.“ Vielleicht hätte ihn seine Freundin doch nicht für diese Auswahl anmelden sollen? Zwar beteuern gerade die Männer, das sie „das einfach mal ausprobieren wollten“. Immerhin sagt Oscar unumwunden, dass er gern als Model arbeiten würde. Nur zwei Sätze später stimmen dann auch die anderen Männer zu: „Gewinnen wollen hier doch alle.“

Die Frauen sind noch direkter: Konkurrenz gebe es auf jeden Fall. Sie würden sich „schon gegenseitig beäugen“.

Und wie halten es die TeilnehmerInnen nun mit der Schönheit? Jedenfalls scheinen alle eine große Gemeinsamkeit zu haben: Zu sagen „Ich bin schön.“ kommt ihnen nur schwer über die Lippen.

Sina ist 20 und schafft es schließlich doch. Seit ungefähr zwei, drei Jahren habe sie sich damit abgefunden, schön zu sein. Vorher hätten das immer nur die anderen zu ihr gesagt. Abgefunden? „Schön sein ist nervig. Man kann nicht in Ruhe ausgehen. Die Mädchen sind oft eifersüchtig auf die Schönheit, von den Jungs kommt nur extrem blöde Anmache.

Ihre Freundin Tina, genauso blondiert wie Sina, bestätigt das und hat noch eine üble Geschichte auf Lager: Einmal sei sie in der Disco von einem Zuhälter angesprochen worden. Dem hat sie zuerst mal ihr Getränk ins Gesicht gekippt. „Aber die meisten Männer verstehen kein Nein.“

Als der Mann sie aus der Disco zerren wollte, hat sie der Türsteher festgehalten. Tinas Glück, dass sie ihn kannte. Sie ist beim Erzählen empört: „Ich bin doch kein Freiwild!“

Und was ist nun eigentlich „schön“?

Schönheit sei nicht nur äußerlich, auch dickere Menschen könnten schön sein, sind sich Sina und Tina einig. Und ältere. „Die ganzen tollen Falten um die Augen, da sieht man das ganze Leben.“ sagt Tina.

Uwe findet, dass Schönheit Geschmackssache ist. Er findet, Arnold Schwarzenegger habe so ein kantiges Gesicht, das gefalle ihm. „Also, ein Mann sollte schon männlich aussehen, nicht wie so 'n Weichei, oder so tuntig.“ Alles Geschmackssache eben.

Ulrike Bendrat