„Das ist ein einmaliger Fall“

■ Stunk um Stadtgrün: Jetzt reden die Berater von Roland Berger über das, was sie bei dem Eigenbetrieb herausgefunden haben / Das Problem laut Berger: Man hat ihnen Daten vorenthalten

Stadtgrün steht im Kreuzfeuer der Kritik: Herrscht bei der Gartenbaubehörde ein Schlawinertum sondergleichen, wie die Unternehmensberatung Roland Berger festgestellt haben soll? Oder haben die Berger-Berater geschlampt, wie es ihnen der Personalrat vorwirft? Die Wogen der gegenseitigen Vorwürfe gehen hoch – aber niemand kennt die Inhalte der Berger-Untersuchung genau. Der Abschlussbericht sollte öffentlich gemacht werden, fordert der Personalrat von Stadtgrün. Einen solchen Bericht aber gibt es noch nicht. Georg Barzel und Björn Bloching, die beiden Projektleiter von Roland Berger erklärten im taz-Interview, was sie herausgefunden haben.

taz: Ihnen wird vorgeworfen, heimliche Beobachter an der Stelle postiert zu haben, wo die Mitarbeiter von Stadtgrün ihre Frühstückspause machen. Stasi-Methoden?

Dr. Björn Bloching: Was wir gemacht haben, hat ein Staatsrat in der Lenkungsgruppe „Verkehrszählung“ genannt, nicht mehr und nicht weniger. Wir haben notiert, wann die Fahrzeuge am Betriebshof rausfuhren und wann sie wieder kamen. Da stellt man erstaunliche Sachen fest. Zum Beispiel: Rausfahren morgens eine halbe Stunde nach Arbeitsbeginn, Rückkehr nach 20 bis 30 Minuten ...

Dieselben Personen?

Bloching: Ja, dieselben Trupps und dieselben Autos. Dann wieder rausfahren, Rückkehr zur Frühstückspause, die wird dann oft überzogen, wieder ausschwärmen, Rückkehr zur Mittagspause. Das gleiche nachmittags zum verfrühten Dienstschluss.

Wissen Sie, wie weit die Stadtgrün-Mitarbeiter gefahren sind?

Bloching: Wir hoffen, dass sie nicht zu weit fahren mussten. Wenn der Einsatzort weit weg wäre, wäre das noch schlimmer. Wir sind den Leuten nicht hinterher gefahren. Wenn wir überprüft hätten, was die Leute in der Zeit, in der sie am Arbeitsort waren, dort getan haben, wäre das Ergebnis möglicherweise noch deutlicher ausgefallen. Wir haben uns nicht angeschaut, ob da hocheffizient gearbeitet wurde oder nicht.

Haben Sie diesen Befund mit Stadtgrün besprochen?

Bloching: Ja. In der Sitzung gab es dafür keine Erklärung. Von Seiten der Geschäftsführung wurde uns gesagt: Ich dachte, das Problem sei abgestellt.

Stadtgrün behauptet, es würde auch auf dem Betriebshof gearbeitet.

Bloching: Dort gibt es Parkplätze für die Fahrzeuge und den Pausenraum. Möglicherweise arbeiten die Gärtner in dem Pausenraum.

Was auf dem Betriebshof getan wurde, wissen Sie nicht?

Bloching: Die Auskunftsbereitschaft unserer Gesprächspartner war sehr gering.

Dr. Georg Barzel: Normalerweise streiten wir uns bei unseren Projekten hin und wieder über die Interpretation von Daten und öfter über Schlussfolgerungen. Wir sind es aber nicht gewohnt, dass wir uns schon über die Fakten streiten. Oder dass wir Daten, die uns zur Verfügung gestellt werden, für nicht valide halten müssen.

Auf deutsch: Sie haben auf viele Fragen keine Antwort bekommen und auf manche eine falsche.

Bloching: Ja, das kann man so sagen. Bei allen anderen Projekten hier in Bremen war die Kooperation auf der Fakten-Ebene so, wie wir es gewöhnt sind. Das ist ein einmaliger Fall mit Stadtgrün.

Barzel: Wir sind von verschiedenen Seiten ja darauf hingewiesen worden, dass wir uns die Situation am Betriebshof mal anschauen sollen. Das heißt: Der Sachverhalt, den wir aufgezeigt haben, ist in der Stadt vielerorten bekannt. Das haben wir auch an der Reaktion der Geschäftsführung gemerkt.

Was haben Sie sonst bei Stadtgrün untersucht?

Bloching: Wir haben uns alles angeschaut, was mit der Steuerung und Planung zusammen hängt, die Führungsorganisation, die Leistungserbringung, die Zufriedenheit der Kunden ...

Und da hat man Sie in die Karten gucken lassen?

Bloching: Die Bereitschaft, uns da hineinschauen zu lassen, war relativ begrenzt. Wir mussten sehr viel Mühe aufwenden, um an den Kern der Daten heranzukommen. In einigen Fällen ist uns das nicht gelungen.

Was haben Sie rausbekommen?

Bloching: Über das schon Gesagte hinaus war es unter anderem die geringe Transparenz der von Stadtgrün geleisteten Arbeit, die auch von den Leistungsempfängern kritisiert wird. Auch die Planungsinstrumente könnten sicher noch zielführender eingesetzt werden. Schon aus diesen Beispielen kann man den Schluss ziehen, dass einiges an der Führungsorganisation von Stadtgrün nicht stimmt.

Stadtgrün ist vor zwei Jahren in einen Eigenbetrieb umgewandelt worden. Haben Sie einmal nachvollzogen, warum das nicht die versprochenen Strukturverbesserungen gebracht hat?

Bloching: Wir machen ja nicht Ahnenforschung. So etwas hängt meist nicht nur an Strukturen, sondern auch an Personen. Aber grundsätzlich ist ein Eigenbetrieb nicht die zukunftsweisende Organisationsform für derartige Aufgaben.

Grünpflege gelingt nicht besser, wenn sie von Staatsbeamten erledigt wird?

Barzel: Man muss fragen, welche Aufgaben von öffentlich Beschäftigten wahrgenommen werden müssen. Die Aufgaben des Gärtners gehören nicht dazu.

Der Personalrat sagt: Wir könnten das billiger organisieren.

Bloching: Könnten sie das? Warum tun sie es dann nicht? Bisher hatte Stadtgrün nicht einmal dokumentiert, welche internen Kosten welcher Leistungserbringung zugeordnet werden können.

Wie geht es jetzt weiter?

Bloching: Wir machen ja kein Gutachten, sondern arbeiten gemeinsam an einem Projekt. Wir diskutieren in den nächsten zwei Wochen mit dem Lenkungsausschuss darüber, wie Modelle für die Zukunft aussehen könnten.

In dem Lenkungsausschuss sitzt auch der Chef von Stadtgrün, obwohl dessen Jahresvertrag sowieso im Oktober ausläuft.

Barzel: Die Vertragslaufzeit ist für uns irrelevant. Der amtierende Geschäftsführer ist unser Ansprechpartner.

Nach Angaben des Personalrates hätte das Projekt schon Ende Juni beendet werden sollen.

Barzel: Die Verzögerungen sind nicht von uns zu verantworten.

Fragen: K.W./ sgi