Vom Winde verweht

Augenrollende Kindermädchen im amerikanischen Film der Dreißigerjahre: Cheryl Dunyes „The Watermelon Woman“ ist ein schöner Film über das Recherchieren, engagierten Feminismus, essenzialistische Tanten, die Armut Philadelphias von heute und das schwarze Nachtleben vor 50 Jahren

In Archiven nach alten Dokumenten, nach richtiger, alter Hardware zu suchen, kann einen in hellste Aufregung versetzen. Noch mehr Spaß macht es, wenn es sich dabei um unerforschte, vergessene Randthemen handelt, die zwar jeder schon mal wahrgenommen hat, deren Brisanz aber noch keinem so richtig aufgefallen ist. Ein solches Thema ist zum Beispiel das Bild der schwarzen Frau im amerikanischen Spielfilm der Dreißigerjahre, das sich meist in „Mammies“ erschöpfte, diese eher negativ konnotierte, augenrollende Kindermädchenfigur, jedem bekannt aus „Vom Winde verweht“ in Gestalt der guten, weisen Mammy (Hattie McDaniel) und der dummen Prissy (Butterfly McQueen), die sich bei einer bevorstehenden Geburt mit den unvergesslichen, den großartigen Worten aus der Affäre zieht: „I don’t know nothin’ ’bout birthin’ babies!“

Dieses Bild ist es, das sich die schwarze, lesbische Filmemacherin Cheryl Dunye in ihrem Film „The Watermelon Woman“ vorgenommen hat zu zerlegen. Cheryl Dunye, die sich selbst spielt, macht sich auf die Suche nach einer fiktiven schwarzen Schauspielerin, Fae Richards, die sie bei ihrem Job in einer Videothek in einem fiktiven amerikanischen Film aus den Dreißigerjahren mit dem Titel „The Watermelon Woman“ entdeckt hat. Ihre Recherchen ergeben, dass Fae Richards nicht nur eine „Schwester“, sondern auch mit der weißen Regisseurin des Films, Martha Page, liiert war. Auch Cheryl Dunye verliebt sich im Laufe des Films, der so auch zu einer Auseinandersetzung mit schwarzer Identität wird, in eine Weiße, die ein Loft und viel Geld hat, schön ist und freiwillig mit schwarzen Kindern arbeitet. Zuvor konnte Cheryl mit ihrer besten Freundin und Arbeitskollegin Tamara, die auch schwarz und lesbisch ist und schwarze Pornos mit so schönen Titeln wie „Bold Black Ball Buster“ liebt, noch prima über essenzialistisch argumentierende, spirituelle „Afro-Fem-Centric“-Tanten schimpfen. Jetzt, seit ihrer neuen Freundin, wirft Tamara ihr erzürnt vor: „Magst du deine Hautfarbe nicht mehr?“

Im Film kommt es dann zu einem Gespräch mit Camille Paglia und der verbohrten Leiterin eines lesbischen Archivs, und da entpuppt sich „The Watermelon Woman“ schnell auch als ein unterhaltsamer Seitenhieb auf feministische, politische Ernsthaftigkeit, die auf viele junge Frauen nur noch abtörnend wirkt. Camille Paglia argumentiert zwar interessant für die Mammy, die ihrer Herrin eine Wassermelone gibt, als Symbol für die afroamerikanische Frau, das Freude und Fruchtbarkeit abstrahlt – und das in Abgrenzung zum Magersucht und Bulimie verkörpernden weißen Feminismus –, allerdings ist die aufgedreht konzentrierte, wuchtige Art und Weise, wie Professorin Paglia das in die Kamera schmettert, ganz schön entlarvend.

Dies zusammen mit einem nebenbei mitlaufenden urbanen Realismus, der Kaputtheit Philadelphias heute, Interviews mit älteren schwarzen Frauen, die sich als Pionierinnen empfinden und viel über das schwarze Nachtleben der Stadt vor fünfzig Jahren wissen, über von Schwarzen betriebene Clubs wie das „Royal“, die „Dunbar“ oder den „Standard“, in denen auch Weiße willkommen waren und gern zum Essen kamen, macht den Film informativ und interessant. Die ziemlich gut aussehende, sympathische und durchweg sarkastisch grinsende Cheryl Dunye hat ihrem Film den Rest gegeben, so dass er auf vielen Festivals mit Erfolg gekrönt wurde. 1996 hat „The Watermelon Woman“ zu Recht auf der Berlinale den Teddy gewonnen.

SUSANNE MESSMER

„The Watermelon Woman“, USA 1996, 85 Min., OmU. Bis 29. 8, tgl. 20.15 Uhr, Xenon, Kolonnenstr. 5, Schöneberg