Nichts als grüne Eier

taz-Serie „Schrille Läden“ (Teil 10): In einem Charlottenburger Laden verkauft ein Rechtsanwalt farbenfrohe Hühnerprodukte. Die Eier gelten als besonders cholesterinarm. Auch bei Queen Mum in England sollen sie schon auf dem Speiseplan stehen

von SILKE KATENKAMP

Das Geschäft in der Kantstraße sieht aus, wie ein Hühnerei von innen aussehen soll. Die Wände dottergelb, die Decke weiß, wie hart gekochtes Eiweiß. Nur die hier angebotenen Eier selbst halten sich nicht an die Farbordnung. Mint bis olivgrün schimmern ihre Schalen auf der Strohauslage im Schaufenster. Mit Ostern haben die runden Dinger aber nichts zu tun. Denn was aussieht wie angemalt, kommt schon grün aus dem Huhn heraus – aus einer Kreuzung von südamerikanischem Aracauna-Huhn und deutscher Legehenne.

„Grüne Eier“ steht über dem Ladeneingang. Und tatsächlich wird hier nichts anderes verkauft. Auf Holzregalen, in Weidenkörben, zwischen Stroh und in einer Kühltruhe haben Inhaber Wolfram Spohr und seine Lebensgefährtin Nalan Özenir ihre Ware liebevoll platziert. Sonnenblumen, Grünpflanzen und Strohballen – es duftet nach Land. An den Wänden Fotos der exotischen Hühnergattung und ihrer grünen Erzeugnisse.

Das allein reicht aber nicht immer aus, um zweifelnde Kunden von der biologischen Herkunft der Eier zu überzeugen. „Viele glauben nicht, dass die grüne Schale echt ist“, erzählt Spohr. Für Skeptiker hat der 53-Jährige zwei Gutachten von unabhängigen Lebensmittelforschungsinstituten parat. Sie belegen, dass Spohr und seine Frau nicht mit faulen Eiern handeln.

Wer allerdings auch im Inneren der Vogelprodukte auf ein grünes Wunder hofft, wird enttäuscht. Das Eiweiß ist klar, der Dotter gelb. „Dessen Anteil ist höher als beim normalen Hühnerei“, betont Spohr. So werde der Geschmack intensiver.

Im Juli hat der Notar und Rechtsanwalt das Geschäft eröffnet. „Hauptsächlich kümmert sich meine Frau um den Laden“, berichtet er. Samstags tausche er dann aber gerne selber die Räume seiner Wilmersdorfer Kanzlei mit denen des Eierladens. „Weil es Spaß macht, mit Leuten zu sprechen, die einfach nur ein Ei kaufen wollen.“ Auf die Idee mit dem ungewöhnlichen Geschäft brachte ihn einer seiner Kanzleiklienten. Der hatte die Eier in einem österreichischen Hotel zum Frühstück auf seinem Teller serviert bekommen. Dort werden die grünen Dinger schon lange nicht nur wegen ihrer Farbe geschätzt. „Grüne Eier zeichnen sich durch ihren geringen Cholesteringehalt aus“, erklärt Spohr. Im Vergleich zum normalen Hühnerei liegt der mit etwa 450 Milligramm pro 100 Gramm im unteren Drittel. Kein Wunder, dass der Laden schon Stammkunden hat. „Besonders Leute, die auf ihren Cholesterinspiegel achten müssen“, sagt Spohr.

Auch Befürworter von artgerechter Tierhaltung können in dem Laden unbesorgt zugreifen. Denn die Eier stammen aus kontrollierter Bodenhaltung. Das garantiert das Gütesiegel des KAT. Der Bonner Verein kontrolliert die Ställe, die von einem Züchter in Niedersachsen betrieben werden. Rund 20.000 Hühner sorgen dort für den grünen Nachschub, den es nicht nur in dem kleinen Geschäft in der Kantstraße zu kaufen gibt. „Wir beliefern Bioläden, Drogerien und Kaufhäuser“, zählt Spohr auf, „darunter auch das Lafayettes.“ Für hemmungslosen Eigenuss will Spohr nun auch im Ausland sorgen. Ein Delikatessen-Geschäft in Mallorca sei schon interessiert. In der Türkei lief die Sache mit den Eiern mit großer Resonanz durch die Medien. Spohr hofft auf neue Absatzwege, will den Eihandel im großen Stil aufziehen. Geplant ist die Errichtung von zusätzlichen Hühnerfarmen. „Vielleicht liefern wir auch bald nach England“, schmunzelt er. Auch die Queen Mum soll bereits grüne Eier zum Frühstück essen.

Grüne Eier, Kantstraße 73, Öffnungszeiten: montags bis freitags 10–18.30 Uhr, samstags 9–14 Uhr.