China übt für Olympia

Mit gewaltigem Aufwand will die chinesische Staats- und Sportführung bei der Universiade in Peking beweisen, dass die Stadt die Wahl zum Austragungsort der Olympischen Spiele 2008 verdient hat

aus Peking JUTTA LIETSCH

Kein Wunder, dass die 27-jährige Yuan Hua strahlt: Die Judokämpferin der Klasse über 78 Kilogramm hat China die allererste Goldmedaille bei der Universiade in Peking gesichert. „Ich habe mich stark unter Druck gefühlt, obwohl die Leute dachten, dass ich leicht gewinnen würde“, sagte Yuan, die auch den Weltmeister-Titel hält.

Noch nie wurden Studentenwettkämpfe so ernst genommen wie jetzt in China. Die Regierung hat die 21. Universiade, die in dieser Woche begann, zum Probelauf für die Olympischen Spiele in Peking erklärt, obwohl bis dahin noch sieben Jahre Zeit sind. Jeder Sieg gilt der offiziellen Propaganda als Beweis dafür, dass China wirklich internationale Anerkennung verdient. Da bringt eine Niederlage leicht nationalen Gesichtsverlust. Gleich am ersten Tag gewannen chinesische Studenten fünf von zehn Wettbewerben: Neben Gold im Judo gab es noch Siege für China im Fechten, Turnen und zweimal im Wasserspringen.

Wie wichtig Peking die Studentenspiele nimmt, zeigte sich spätestens am Mittwochabend: Da erschien Präsident Jiang Zemin mitsamt den höchsten Politikern aus Partei und Regierung zur feierlichen Eröffnungszeremonie. Über 6.000 Hochschulsportler und viele, viele Funktionäre aus 166 Ländern marschierten im Arbeiterstadion von Peking ein – mehr als jemals zuvor. Aus Deutschland sind 92 Sportlerinnen und Sportler angereist. China trat mit 265 Athleten an – eine der größten Mannschaften bei diesen Spielen. „Wir zeigen der Welt, dass China fähig ist, die beste Universiade in der Geschichte zu organisieren“, hatte Tu Mingde vom Organisationskomitee versprochen.

Es fehlte nicht an hübschen Aktionen: Mit Hilfe eines Gerätes, das wie ein fliegendes Ufo aussah, wurde die Flamme der Universiade entzündet, die bis zum Ende der Spiele am 1. September hoch über dem Arbeiterstadion brennen wird. Das Feuer war „beim ersten Sonnenstrahl des neuen Millenniums“ – so die Pekinger Volkszeitung – zeitgleich in Neuseeland, Spanien und an der Peking-Universität entzündet worden. 109 Tage lang hatten Studenten die weiße Fackel über 20.000 Kilometer durch China getragen.

Schon die Eröffnungsfeier sollte alle Rekorde brechen: Mehr als zehntausend Mädchen und Jungen hatten monatelang geübt, um die Zuschauer aus der ganzen Welt mit riesigen lebenden Bildern zu beeindrucken: Als klassische Tonkrieger-Armeen kostümiert, als mythische Tänzerinnen, blühende Felder, Strudel im gelben Fluss, blauweiße Mingvasen oder silbrig glänzende Surfer des Internets sollen sie die alte und die moderne Kultur Chinas symbolisieren. Prominente chinesische Popstars besangen die „fröhlichen Pekinger“, die „glückliche Jugend“ und den „sehr anrührenden Klang von Schweißtropfen, die auf den Boden fallen.“

Die chinesische Regierung lässt sich die Universiade viel Geld und Mühe kosten: Rund 7, 7 Millionen Mark haben allein die Vorbereitungen für die Auftaktfeier verschlungen. Das ist jedoch nur ein kleiner Teil der gesamten Aufwendungen: 87 Millionen Mark wurden nach offiziellen Angaben für den Bau und die Renovierung der 52 Wettkampfarenen, Sporthallen und Trainingsstätten ausgegeben. Die Hälfte davon gehört zu Pekinger Universitäten. Dazu kommt ein neues Sportlerdorf mit zehn Appartementblocks auf 220.000 Quadratmetern im Norden Pekings, das rund eine Viertelmilliarde Mark gekostet hat und durch private Investoren und Sponsoren finanziert wird. Nach dem Ende der Universiade sollen dort Studenten wohnen.

Weil mehr Teilnehmer als erwartet in der chinesischen Hauptstadt eingetroffen sind und die 3.955 Zimmer des neuen Sportlerdorfes nicht reichen, haben die Organisatoren die einheimischen Sportler in letzter Minute wieder ausquartiert, um den Gästen Platz zu machen. Der deutsche Delegationsleiter Enno Harms äußerte sich lobend über die Bedingungen in dem Dorf: „In den letzten 20 Jahren gab es niemals so einen Standard.“

„Grün, Hightech und bevölkerungsnah“ sollten die Spiele nach den Worten von Tu Mingde sein, der nicht nur für die Universiade zuständig ist, sondern auch für das chinesische Olympia-Komitee. In vielen Teilen Pekings wurden neue Rasenflächen angelegt und Bäume gepflanzt. Tausende Englischstudenten und Lehrer wurden abgestellt, um den ausländischen Gästen zu helfen, sich zurechtzufinden.

Olympische Standards gelten auch für die Dopingbekämpfung. Um jede Manipulation auszuschließen, haben die Kontrolleure die Wände ihrer zwölf Untersuchungsräume ringsherum verspiegelt. „Ich habe an sechs olympischen Wettkämpfen und sechs Asienspielen teilgenommen, und meines Wissens ist dies das erste Mal, dass Spiegel für die Urin-Herausgabe verwendet werden“, erklärte der Präsident des Doping-Kontrollzentrums, Yang Tianle.