Handwerk große Geste

■ „Live“ heute im Grünspan: Unplugged – und ausverkauft

V heißt ihr jüngstes Album und erinnert damit an die Tradition Led Zeppelins, Platten zu Werken zu erklären, indem man sie schlicht durchnummeriert; Albentitel sind was für die zweite Garde. Arbeiten Live an der eigenen Legende? Grund hätten sie, würden sie die vergangenen Würdigungen noch einmal querlesen. Lob, ja, Jubel kam von den US-Magazinen, Vergleiche zu Rockgrößen wurden herbeigeredet, die frühen U2 in Live erkannt, und den vier mäßig Ungestümen aus Pennsylvania eine ebensolche Karriere voraus gesagt. Mindestens.

Sie hatten doch nur drei Alben veröffentlicht – die zu Millionensellern wurden. 1992 erschien ihr eigentliches Debüt Throwing Copper – um jetzt auf Album Nr. V zu kommen, wurde ein kaum beachtetes Frühwerk mitgerechnet. „Selling the Drama“, die erste Erfolgssingle, passt nur marginal in den Grunge-Hype, und sie wurden doch immer erfolgreicher. Bejubelt auch zwei Nachfolge-Werke, Live spielten beim 94er Woodstock-Festival und waren überhaupt die folgende Zeit on the road. Rock als solides Handwerk. Besonders die letzte Welttournee schmeichelte Sänger Ed Kowalczyk. Lennons „Imagine“ gehörte zum festen Repertoire, und im Taumel all der Liebe, die ihm auf den großen Bühnen entgegenschlug, schrieb er neue Songs. „Drei Viertel des Rockmusikerlebens bestehen aus Warten“, wusste Keith Richards – die langen Fahrten und Stunden in US-Arenen nutzte Kowalczyk. Danach ins Studio. So wurde V in wenigen Wochen eingespielt, eine illustre Gäs-teschar an Mikro und Regler gebeten, etwa Tricky oder Adam Duritz von den Counting Crows.

Jetzt locken ein paar Akustik-shows, und es freut sich, wer zu den wenigen Ticketbesitzern gehört. Ansonsten trösten V und – vielleicht – Festivalgigs im kommenden Jahr. Schließlich sind Live eher eine Band der große Bühnen und große Gesten. Wenn Kowalczyk am Bühnenrand steht, die Arme reckt und auf seine Jünger hinab schaut, dann weiß er, sie haben den Olymp fast erreicht. Und die Zeit der betitelten Alben ist passé.

Volker Peschel

heute, 19.30 Uhr, Grünspan (ausverkauft)