funkloch
: Die IFA piept nicht

Das Handy schweigt. Dabei war die Internetankündigung viel versprechend: Per SMS werde man ständig über die „absoluten Highlights“ der Internationalen Funkausstellung informiert. Sofern man sich registrieren lasse. Folglich legt man faul das Programmheft zur Seite und vertraut den Segnungen des neuen IFA-Services: „kein lästiges Herumirren in weitläufigen Hallen“, „keine verpasste Show“, dafür „ungetrübter IFA-Genuss“ durch „genaueste Zeiteinteilung“ und „effiziente Information“. Und so wartet man. Und hofft. Gleich piept es. Und ich weiß, wohin. Es piept nicht.

Nur High-End-Anlagen, LCD-Fernseher und Pseudo- Moderatoren sorgen für infernalischen Lärm. Viellicht hat man daher einen brandaktuellen Veranstaltungshinweis einfach überhört. Also lässt man das Handy-Display nicht mehr aus den Augen. Erst als selbige gerade zufallen wollen – da piept es. Eine Kurztextmitteilung kündigt mit weniger als 35 Zeichen den Start von Holiday on Ice an – im Sommergarten. Plötzlich wird klar, dass viele der rund 40.000 High-Tech-Jünger Schicksalsgenossen sind. Hektisch verschwinden Handys in Hosentaschen, alles strömt Richtung Eisshow. Zwar liegen noch unzählige Irrwege – im digitalen Zeitalter erübrigen sich eindeutige Beschilderungen – vor den armen Fremdlingen, aber 30 Minuten bleiben für den Weg durch den digitalen Dschungel.

Dabei kommt eine Nahkampfwaffe mit bisher ungeahntem Potenzial zum Einsatz: der Heliumballon. Zumeist an dem eben in Halle 22 in die Hand gedrückten Papprucksack befestigt und beschriftet mit der Nummer der Halle, die man trotz Ortsfremdheit schon gesehen hat, lassen sich diese Dinger hervorragend im Gesicht des Hintermannes platzieren. Doch wer den Kampf aufnimmt und es zudem noch schafft, nicht vorsintflutartig vor der Hitze außerhalb der Hallen zu kapitulieren, erreicht pünktlich die gut gekühlte Eisfläche. Und sieht sich hier vor eine schwer wiegende Entscheidung gestellt. Denn es piept. Der kleinste MP3-Player der Welt will gesehen werden. In Halle 22. Es muss wohl am possierlich winkenden Wollschwein, das jetzt das Eis betritt, liegen, dass sich niemand aufmacht, die Weltneuheit am anderen Ende des Messegeländes zu besuchen. Und schließlich ist da noch Verona. Der verkörperte Postfeminismus hat es nicht nötig, sein Kommen per Textnachricht verkünden zu lassen. Verona ist einfach da. Oder auch nicht. Eine dreiviertel Stunde lässt sie auf sich warten, kommt, wirbt für einen Camcorder und geht. Die meisten haben ihr Funkfon längst ausgeschaltet. Wohl um sich die Qual der Event-Wahl durch die dritte SMS des Tages zu ersparen.

SILKE KATENKAMP