Gott würde lachen

Jesus, im Dutzend billiger. Warum die komische Kunst Gottes letzte Zuflucht ist

Wenn es einen Gott gibt, dann hat er einiges zu kichern über die komischen Vögel

Zum Kirchentag Mitte Juni bliesen die Frankfurter Offizialchristen ein paar gigantische Jesusse auf und ließen sie über den Hochhäusern schweben und flattern. Es sah dämonisch aus: Jesus als Lachsack, als fauler Witz im Wind. Und war doch ganz lieb und christengut gemeint. Gegen diese Aufblasphemie hatten professionelle Götterspötter kaum eine Chance. Jesus hing über Frankfurt, als sei er dem Sortiment von Beate Uhse entsprungen. Angesichts solch modischer, wenn auch unfreiwilliger Gotteslästerung wirkt die – aus Anlass des Kirchentags erstmals gezeigte – Ausstellung „Unsern täglichen Witz gib uns heute“ vergleichsweise liebevoll und seriös: Hier wird Gott künstlerisch für voll genommen. Billige Plastikpuppenwitze gibt es hier nicht, hier wird nach allen Regeln der Kunst gezeichnet und gemalt. So sieht es aus am Beginn des dritten Jahrtausends: Die Freigeister müssen Gott in Schutz nehmen gegen die ästhetischen Wahnvorstellungen der Gottgläubischen. Wenn es einen Gott gibt, dann hat er einiges zu lachen über die komischen Vögel, die in seinem Namen herummurksen.

Vom Grundrecht auf Blamage machte auch der leitende Frankfurter Museumsdirektor Prof. Dr. Rainer Koch Gebrauch; nachdem seinem ängstlichen Wunsch, doch einige Bilder vorab aus der Ausstellung zu entfernen, selbstverständlich nicht entsprochen werden konnte, distanzierte er sich in seiner Eröffnungsrede vorsichtshalber – wer weiß, wozu es mal gut sein wird. Auf die Idee, vielmehr die Aushecker und Schöpfer der obszönen Luftpumpenheilande ins Gebet zu nehmen, kam Koch nicht.

Ein Jammer, dass in Frankfurt Rudi Hurzlmeiers Vorschlag nicht aufgegriffen wurde, den sakralen Blasebälgen auch noch die zugehörigen Stigmata beizubringen, die Wunden an Händen und Füßen und an der Seite: Mit einem schön vernehmlichen Pffhhh . . . wäre die lauwarme Christenluft entwichen, und nur ein paar schlappe Hüllen wären übrig geblieben von der Christusfarce. Leider beherzte sich niemand, hier Hand anzulegen. Auch Gott hielt sich nobel zurück. Ganz so, wie Dashiell Hammett in seiner famosen Detektivgeschichte „Das große Umlegen“ den Chef der Continental-Agentur beschrieb: „Er ist ein großer, schwerer Mann in seinen Siebzigern, mein Boss; er hat ein Großvatergesicht mit weißem Schnurrbart, rosig, mit sanften blauen Augen hinter der randlosen Brille, in den Augen ist nicht mehr Wärme als in einem Henkersstrick. Nach fünfzig Jahren Jagd auf Gauner für die Continental hatte er an nichts mehr zu tragen, außer an seinem Gehirn und an einer leisen, lächelnden Schale der Höflichkeit; die blieb immer gleich, ob die Dinge gut oder schlecht standen . . “

Der Kirchentag ist vorbei, die Luftkissenschmerzensmänner sind abgehängt. 180.000 Mark aus dem Kirchentagsetat kostete es, die Plastiknazarener ein paar Tage hinzuhängen, Gerüstkosten kamen extra. Manfred Stumpf, der Künstler, der die Pustechristusse anfertigte, sitzt nun auf zwölf Jesushüllen, je 25 Kilogramm schwer und im aufgeblasenen Zustand bis zu elf Meter hoch. Stumpf würde die Figuren „gerne selbst behalten“, doch weil ihn „finanziell der Schuh drückt“, denkt er daran, sie zu verkaufen. 15.000 Mark pro Stück haben sie ihn in der Herstellung gekostet, sagt er, und „trotz der medialen Aufwertung, die sie erfahren haben“, würde er sie für 12.000 Mark pro Jesus abgeben. Das sei zwar „ein gewisser Frevel“, und es falle ihm auch „ein bisschen schwer, sie zu verkaufen“, aber wenn sie „in entsprechende Hände gelangen“, sei das machbar – am liebsten sei ihm, wenn alle zwölf Figuren an einen Interessenten gingen. Im Dutzend wäre Jesus auch billiger: 50 Prozent vom Herstellungspreis pro Stück, zwölf mal 7.500 Mark, zusammen also 90.000 Mark würde dieser Heidenspaß kosten.

Was Frankfurt und den Kirchentag im Juni zu humanisieren vermochte, ist jetzt in Kassel zu sehen: die Ausstellung „Unsern täglichen Witz gib uns heute“, mit gottvollen Bildern und Zeichnungen von F. W. Bernstein, Eugen Egner, Robert Gernhardt, Gerhard Glück, Greser & Lenz, Gerhard Haderer, Wolfgang Herrndorf, Rudi Hurzlmeier, Ernst Kahl, Chlodwig Poth, Rattelschneck, ©Tom, Hans Traxler und F. K. Waechter. Der von Achim Frenz herausgegebene Ausstellungskatalog enthält nicht nur zusätzliche Lyrik und Prosa zum Thema, sondern ist geradezu vatikanhaft opulent ausgestattet. Ich sage nur: kardinalviolettes Vorsatzpapier. Hosianna!

Wer seine Lebenszeit gern damit vertrödelt, sich über einen freizügigen Umgang mit Gott und Sohn zu empören und zu erhitzen, wird fündig werden: Ernst Kahls Jesus, dem am Kruzifix beim Anblick einer sich entkleidenden Nonne Stielaugen und ein veritabler Ständer wachsen, macht Jesus zwar erst vom Gottes- zum Menschensohn, aber welcher Frömmler wollte davon wissen? Klassiker wie F. K. Waechters „Neutronenbombe: Rums – da ist der Heiland weg!“, Hans Traxlers Gott, der einen ertrunkenen Seemann abwimmeln lässt, weil er gerade Schiffe versenken spielt, Gerhard Glücks von Marlboro gesponserter Pfarrer, Rudi Hurzlmeiers auf dem Friedhof angelnder Gott und etwa 130 weitere Exponate zeigen die komische Kunst als letzte Bastion angemessener Gott-, Jesus-, Klerus- und Gläubigkeitsbetrachtung. Wo die offiziellen Vertreter Gottes sich durch ästhetische Todsünden und peinlichste Anbiederungsklimmzüge zum Obst machen, wo ihre vorgezeigte Anbetung Gottes seiner Schmähung so ähnlich ist wie ein faules Ei dem anderen, da bleiben allein die angeblichen Gotteslästerer übrig zum Lobe und Beweise Gottes. Denn wenn es nicht notwendig wäre, gute Witze über ihn zu machen, wäre Gott nicht groß. WIGLAF DROSTE

Bis zum 21. 10. in der Caricatura Kassel, Bahnhofsplatz 1, Katalog: Kein & Aber, Zürich 2001, 160 S., 39,80 Mark