Kapitulation vor den Bankräubern

Seit der Wende wurde die einzige Bank im brandenburgischen Göhlsdorf sechs Mal überfallen. Nun schließt die Filiale

BERLIN taz ■ Wer in dem kleinen Ort Göhlsdorf im Landkreis Potsdam-Mittelmark eine Bank sucht, ist aufgeschmissen. Zwar gibt es in dem Straßendorf mit seinen 1.000 Einwohnern seit elf Jahren eine Filiale der Raiffeisenbank. Doch für Ortsunkundige ist die nicht zu finden: Vor einigen Wochen wurden die Hinweisschilder an der Fassade abmontiert. Geblieben ist ein kleines unscheinbares Haus mit Glasvorbau, das vor sich hingammelt. Der Grund für die Aktion: Seit der Wende wurde die Filiale sechs Mal überfallen. Zählt man die beiden Überfälle auf die Post mit, die sich bis zu ihrer Schließung im gleichen Gebäude befand, kommt man sogar auf acht.

Doch auch nachdem auf Anraten der Versicherung der große gelb-rote Leuchtkasten des Verbundpartners Schwäbisch Hall abmontiert und der Fahrradständer mit der Aufschrift „Raiffeisenbank“ entfernt und in den zugewucherten Hinterhof verbannt wurde, fanden weiterhin maskierte „Kunden“ den Weg zum Schalter. Ende April wurde die Bank innerhalb von 24 Stunden gleich zweimal überfallen. Der letzte Überfall ereignete sich Ende Juli. Deshalb hat der Vorstand der Raiffeisenbank Mittelmark e. G. beschlossen, die Filiale am 14. September zu schließen. „Wir haben die Nase voll“, sagt Vorstandsmitglied Dieter Engelbert.

Als Kapitulation vor den Bankräubern will Engelbert den Rückzug nicht verstanden wissen. „Geld ist ersetzbar“, sagt er, „doch die Polizei kann uns keine Garantie geben, dass Unbeteiligte nicht mal zu Schaden kommen.“ Zu den erbeuteten Summen will Engelbert keine Angaben machen. Nur so viel: Es handele sich um Beträge, die eigentlich „ein Lacher“ seien. „Davon könnte man zwei Monate ohne Arbeit verbringen.“

Es ist kein Zufall, dass gerade die Göhlsdorfer Filiale Bankräuber anzieht. Zur Mittagszeit ist der Ort wie ausgestorben, dabei liegt die Autobahn A 2 nur drei Kilometer entfernt. Bei einem Überfall hämmerte der Bankräuber in aller Seelenruhe zehn Minuten lang das schusssichere Glas mit einem Hammer mürbe. Zu dem Mitarbeiter am Schalter sagte er „Reg dich nicht auf, ich bin gleich wieder weg.“

Bei einem Überfall wurde ein Fliesenleger als Geisel genommen, der mit einigen tausend Mark im Portemonnaie die Bank betrat. Einige Jahre später hatte seine Tochter das zweifelhafte Vergnügen, Zeugin eines weiteren Überfalls zu sein.

Vor wenigen Tagen hat die Raiffeisenbank ihre 503 Kunden über die bevorstehende Schließung benachrichtigt. Sie müssen nun in das etwa zehn Kilometer entfernte Werder ausweichen. Der ehrenamtliche Bürgermeister des Ortes, Eckart Zorn (parteilos), schimpft über die Schließung: „Zu DDR-Zeiten hat Ordnung geherrscht, da gab es so einen Shit nicht.“

Die Schalterangestellte, die fast alle Überfälle erlebt hat, nimmt es gelassen. Nach dem letzten Überfall wurde der Frau und ihrem Kollegen zwar geraten, sich an den sozialpsychiatrischen Dienst zu wenden. Doch offensichtlich besteht kein Bedarf. „Hier tickt alles richtig“, sagt sie lachend und zeigt an den Kopf.

Wegen der angekündigten Schließung befürchtet die Raiffeisenbank, nun erneut von Bankräubern heimgesucht zu werden. „Wir hoffen, es fühlen sich keine Fünf-vor-zwölf-Räuber ermutigt“, so Vorstandsmitglied Engelbert. Immerhin – ein Großteil der Täter wurde geschnappt.

BARBARA

BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA