Job-Anreize statt Bestrafung

An der Basis macht sich Unmut über das Lavieren der Koalition in der Sozialpolitik breit. Mit Lohnsubventionen wollen die Grünen Stützeempfänger in Arbeit bringen

BERLIN taz ■ Der Anspruch war hoch. „Wir denken bis übermorgen“, hieß es auf der Einladung zur grünen Regionalkonferenz in Bremen. Dabei kann in Sachen Sozialpolitik von Visionen derzeit keine Rede sein. Vor der Bundestagswahl 2002 will der Kanzler keine Experimente wagen. Nun scheint es, als sei die grüne Parteispitze mit ihrer Geduld am Ende. Mit zusätzlichen Lohnsubventionen wollen die Grünen Arbeitslosen- und Sozialhilfeempfänger in Jobs bringen. „Die Brücke in den ersten Arbeitsmarkt“ müsse „begehbarer“ werden, fordert Parteichef Fritz Kuhn.

Mit ihrem Vorstoß wenden sich die Grünen deutlich gegen Schröders Politik der „ruhigen Hand“. Denn die Regionalkonferenz hat vor allem eines gezeigt: An der Basis macht sich Unmut über das zögerliche Agieren der Koalition in der Sozialpolitik breit, mehrere Redner forderten gestern klarere Positionen.

Nach dem grünen Modell soll der Staat Arbeitslosen Zuschüsse zu den Sozialabgaben (Kombilohn) bezahlen, wenn sie niedrig entlohnte Teilzeitjobs annehmen. Wer 630 Mark verdient, bekäme die Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung erstattet. Bei Einkommen bis 1.700 Mark sänke der Zuschuss schrittweise auf null.

Sozialhilfeempfänger sollen ein „Einstiegsgeld“ erhalten: Sie dürften künftig die Hälfte der Einkünfte behalten. Noch werden bis zu 90 Prozent auf die Sozialhilfe angerechnet. Ihre Pläne wollen die Grünen in die Beratungen über das Job-Aqtiv-Gesetz einbringen, das der Bundestag im Herbst verabschieden soll. „Wir wollen die Beratungen nutzen, um dort weitere Reformelemente einzufügen“, so Kuhn. Der Entwurf von Arbeitsminister Walter Riester (SPD) reiche nicht aus. Er sieht etwa „Eingliederungsvereinbarungen“ zwischen Arbeitsvermittler und Jobsucher vor. Anders als die SPD, deren Vizechef Rudolf Scharping jungen Arbeitslosen Hilfen streichen will, wenn sie kommunale Arbeiten ablehnen, setzen die Grünen auf Anreize.

Doch die Finanzierung ist unklar. „Es geht um ein Gesamtpaket, das finanzierbar ist“, gibt sich Kuhn bedeckt. Arbeitsmarktexpertin Thea Dückert ist deutlicher: Darüber müsse noch verhandelt werden. Denkbar seien Umschichtungen im Haushalt. Die im Spiegel genannten 2 Milliarden Mark seien aber aus der Luft gegriffen.

Langfristig wollen die Grünen Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu einer sozialen Grundsicherung zusammenfassen. Doch sie wissen, dass das derzeit nicht durchsetzbar ist. NICOLE MASCHLER