Geburtshelfer mit Sinn für Größe

Michael Blumenthal hat das Jüdische Museum in Berlin gerettet – und will es jetzt mit großem Pomp eröffnen

Der Auftritt war ganz nach seinem Geschmack. Als der Amerikaner Michael Blumenthal gestern das Programm für die Eröffnung des Berliner Jüdischen Museums vorstellte, blieb in puncto Größe kaum ein Wunsch offen. Genau dies hatte Blumenthal den verzagten Hauptstädtern immer wieder gepredigt, seit er vor vier Jahren den Aufbau der Sammlung übernahm: Wenn das Museum ein Erfolg werden soll, dann muss es vor allem groß werden – von einem großen Mitarbeiterstab geplant, für ein großes Publikum gemacht und mit einer großen Ausstrahlung auch über die Stadt hinaus.

Die Ausstellung hat noch niemand gesehen, aber zumindest die Einweihungsfeiern am übernächsten Wochenende werden dem Anspruch in jeder Beziehung gerecht: Präsident, Kanzler und die meisten Minister kommen, Stardirigent Daniel Barenboim tritt auf, 850 geladene Ehrengäste werden sich durch die Ausstellung drängeln.

Viel Aufwand für eine Schau, die ursprünglich als klitzekleine Abteilung des Berliner Stadtmuseums geplant war. Erst der amerikanische Exfinanzminister Blumenthal musste kommen, um den Berlinern klar zu machen, dass man in der einstigen Metropole jüdischen Lebens nicht einfach ein paar siebenarmige Leuchter in eine versteckte Vitrine stellen konnte. Der Architekt Daniel Libeskind hatte den Bau, der zunächst als bloße Erweiterung des Stadtmuseums geplant war, ohnehin mit jüdischer Symbolik aufgeladen.

Inzwischen sind die Verhältnisse klar, und mit dem ewig klammen Stadtstaat Berlin muss sich Blumenthal nicht mehr auseinander setzen: Für den Etat von gut 24 Millionen Mark jährlich, aus dem 85 fest angestellte Mitarbeiter bezahlt werden, kommt die Bundesregierung auf. Statt sich in langen Konzeptdebatten zu verzetteln, trumpfte der Musuemsdirektor bei den Politikern lieber auf. Als Finanzminister habe er gelernt, sagt der frühere Vorstandschef großer US-Konzerne wie des Computerriesen Unisys, dass in der Politik „der Anschein ebenso wichtig sein kann wie die Realität“.

Auch bei der Konzeption der Ausstellung, für die er den Neuseeländer Ken Gorbey nach Berlin holte, setzte Blumenthal konsequent auf Breitenwirkung. Professorale Warnungen vor einem „Mickymausmuseum“ wies der Direktor kühl zurück: „Was die Snobisten sagen, ist mir egal.“ Wichtig sei, „dass tausende von Leuten kommen“. Deshalb soll das Museum, so Blumenthals Vorgabe, eine Geschichte erzählen – entlang einer „Story Line“. Das klingt nach Hollywood und ist auch ein bisschen so gemeint.

Einen Teil des Drehbuchs hatte Blumenthal schon geschrieben, als er 1997 nach Berlin kam. Nachdem sich der heute 75-Jährige aus Politik und Geschäftsleben zurückgezogen hatte, schrieb er ein Buch mit dem Titel „Die unsichtbare Mauer“. Darin verfolgte Blumenthal, in Oranienburg bei Berlin geboren und 1939 über China in die USA emigriert, die Geschicke seiner Familie bis ins 17. Jahrhundert zurück. Es wurde eine exemplarische Darstellung des Lebens von Juden, „die gute Deutsche und doch anders waren“.

An seine Vorfahren habe er auch gedacht, sagt Blumenthal, als er die Aufgabe in Berlin annahm: „Ich will, dass diese Menschen als lebende Menschen in Erinnerung bleiben“ – und nicht nur, wie beim Holocaust-Mahnmal, als Tote. RALPH BOLLMANN