Wenn Praktikanten Pläne schmieden

■ Ein schlampiger Plan bringt vielleicht den Ausbau der Linie 4 zum Kippen.

„Wir sind hier nicht auf dem Freimarkt“, grummelte Günter Pottschmidt, als das Publikum wieder unruhig wurde im vollgequetschten Verhandlungssaal des Oberverwaltungsgerichts, dem holzgetäfelten Speisesaal einer alten Jugenstilvilla. Der scheidende Präsident des Oberverwaltungsgerichts hatte gestern alle Hände voll zu tun bei der Verhandlung über den zweiten Bauabschnitt der Straßenbahnlinie 4. Die Stadt will für diesen Ausbau mehreren Klägern aus Lilienthal die Vorgärten abknöpfen.

Gleich zu Beginn dämpfte Pottschmidt die Erwartungen der Kläger: „Das Gericht darf den Planfeststellungsbeschluß nicht nach eigenem Dünkel beurteilen. Ob es eine zweckmäßigere Lösung gibt, geht das Gericht nichts an.“ Daraufhin wuchtete Axel Adamietz, der Klägervertreter, eine dicke Akte nach der anderen auf den Verhandlungstisch und pflückte lauter Zitate heraus, mit denen er belegen wollte, dass die Schwarz-Rote-Koalition die Ergebnisse der Gutachter politisch vorgegeben habe. Nur aus diesem Grund könne die Baubehörde jetzt eine viel zu geringe Verkehrsbelastung prognostizieren. Außerdem sei eine Trasse durch das Naturschutzgebiet Hollerland hindurch überhaupt nicht ernsthaft geprüft worden.

Dabei sei das zerfranste Hollerland an den Rändern gar nicht mehr so schutzwürdig wie vor 30 Jahren – überhaupt passe in Bremen mal wieder die Planung nirgendwo zusammen. Pottschmidt ermahnte Adamietz: „Es nützt nichts, mit Polemik vorzugehen“ und bohrte dann bei den Vertretern Bremens nach: „Ist das Naturschutzgebiet nun zerfleddert?“ Die Wiesenvögel im Hollerland brauchen Platz zum brüten, sagte einer der kritisierten Gutachter. Wenn man das Naturschutzgebiet an den Pufferzonen anknabbere, vertriebe man die Vögel weiter in die Mitte des Gebiets.

Danach kam es zum Streit, ob eine alte Eichenallee an der geplanten Straßenbahntrasse nicht besser gefällt werden sollte. Die Straßenbahn könnte dann an den Rand verlegt werden und es bräuchten keine Vorgärten zubetoniert werden, sagte Adamietz. Er zitierte dazu ein von der Stadt mißachtetes Gutachten vom Gartenbauamt (jetzt Stadtgrün), wonach die Bäume wegen der Straßenlage bald eingehen würden und besser abgeholzt werden sollten. Die Vertreter Bremens dazu: „Die sind ja immer dafür, Bäume zu fällen. Jeder Baum weniger bedeutet weniger Arbeit.“

Pottschmidt überzeugte dieser Versuch nicht, das Gutachten zu zerreden: Wenn die Stadt bei der Erstellung des Planfeststellungsbeschlusses nicht alle Gutachten und Varianten einbezogen und erörtert habe, könnte der Beschluss rechtswidrig sein. Die fehlerhaften technischen Angaben in den Unterlagen der Baubehörde nervten das Gericht zusätzlich. Schließlich fuhr der Präsident den Vertretern des Landes Bremen an den Karren: „Wenn sie so weitermachen... Es gefällt uns gar nicht, wenn sie Gutachten immer nur in den Anlagen zu Planfeststellungsbeschlüssen begraben und gar nicht inhaltlich erörtern.“

So in die Enge getrieben, konnten die Vertreter der Stadt Bremen nur noch um Mitleid betteln: „Da können auch mal Praktikanten dran gewesen sein“, so der Kommentar zu dem schlampigen Planfeststellungsbeschluss.

Die Verhandlung endete am frühen Abend. Das Urteil wird am kommenden Dienstag um neun Uhr verkündet.

THB