Leser diskutieren B‘90/ Grüne-Positionen
: Verkehrte grüne Welt

betr.: „Grüner Attac-Beitritt“ (Münsteraner Kreisverband), „Grüne werben um Attac“ u. a., taz vom 25. 8. 01

Wie in der taz zu lesen, ist unser grüner Kreisverband Attac beigetreten. Jedoch hat er sich damit keineswegs gegen die Bundespartei gewendet. Stehen doch fast alle Forderungen der Attac-Erklärung im gültigen Bundestagswahlprogramm unserer Partei: Tobin-Steuer, Schließung von Steuerschlupflöchern, Schuldenstreichung für Entwicklungsländer, Wiedereinführung der Vermögensteuer, demokratische Umgestaltung der internationalen Finanzinstitutionen, solidarische Finanzierung der Altersvorsorge u. v. m. Aber: Die Attac-Erklärung enthält so viel urgrünen Geist, dass es die Partei alarmieren sollte, wenn der Beitritt schon fast als Sensation aufgenommen wird!

Höchst bedenklich ebenfalls, dass Kerstin Müller in dem Interview nicht merkt, dass die Globalisierungskritiker dagegen demonstrieren, was immer wieder bei den „Gipfeln“ herauskommt (und was nicht!), sondern unterstellt, sie seien einfach nur dagegen, dass Regierungschefs sich treffen. Von Joschka Fischers Äußerungen ganz zu schweigen. Die Folgen bekommen wir in den Kreisverbänden zu spüren, durch Austritte und Wahlergebnisse.

STEFAN RIESE, Mitglied der Grünen in Münster

Auf der Titelseite groß angekündigt, war dieses Interview lediglich (leider) nur eine Wiedergabe von bekannten Positionen und Forderungen beider Seiten. Eine Annäherung von grüner Seite an das Netzwerk Attac ist auch nach diesem Gespräch (das kein Streitgespräch war) nicht in Sicht.

Die Anliegen von Attac sind die logische Konsequenz und resulieren aus einer inkonsquenten, lobbygesteuerten und kapitalhörigen Politik. Wie wahr, wenn Frau Müller meint, die Globalisierung sei nicht mehr aufzuhalten. Nur ist der Wunsch nach einer Regulierung einer entfesselten Finanzpolitik zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr als eine Luftblase und ein rhetorisches Lippenbekenntnis. Das eigentlich Bedauerliche an diesem Gespräch ist der Eindruck, dass selbst eine Partei wie die Grünen die verständlichen Forderungen und Besorgnisse von Attac und den unzähligen (nicht organisierten) Globalisierungskritikern nicht ernst nimmt. Auch ein Beweis dafür, dass den etablierten Kräften die Ideen, Visionen und ein Maß an politischer Unabhängigkeit verloren gegangen ist. UWE ROOS, Spiesen-Elversberg

Wie schön: Die Grünen beginnen zu merken, dass sie uns, ihre ehemaligen Wähler, für dümmer gehalten haben, als wir sind. Mögen sie die vor ihnen liegende außerparlamentarische Arbeitsphase nutzen, um diesen Lernerfolg zu vertiefen und zu festigen.

Nur: Wen außer den Grünen interessiert das noch? Interessant für mich wäre: Wen wähle ich das nächste Mal? Wird nicht die PDS, sobald sie die Gelegenheit kriegt, dasselbe mit Pöstchen und großzügiger Altersversorgung versüßte Ende nehmen? Welche Absprachen mit den Regierungsparteien gibt es, die die CDU verpflichten, keinerlei inhaltliche Alternative aufzubieten? [. . .] Ist es sinnvoll, eine neue Partei zu gründen? Wenn ja, wie erreichen wir, dass in einer solchen Partei Gedanken zu Ende gedacht werden, anstatt sie zu Prinzipien zu erheben? Wie verhindern wir, dass auch in einer neuen Partei Karrieristen und Dünnbrettbohrer das Ruder übernehmen?

Frau Müller hat vermutlich Recht: Eine parlamentarische Kraft zu haben, kann von Vorteil sein. Die Grünen fallen für diese Aufgabe aus. Parlamentarisch sind sie noch ein Jahr lang, eine Kraft schon lange nicht mehr. GERHARD PAULI, Düsseldorf

Eigentlich ist es ja nur eine winzige Notiz auf S. 6: Die Münsteraner Grünen sind Attac beigetreten. Wer sich innerhalb von Bündnis 90/Die Grünen ein wenig auskennt, wird das nicht sehr erstaunlich finden – genauso wenig wie die Tatsache, dass sowohl die Grüne Jugend als auch die innerparteiliche Oppositionsorganisation BasisGrün schon länger Mitglied bei Attac sind.

Was aber wäre, wenn: Nur mal angenommen, Bündnis 90/Die Grünen insgesamt, mit ihren etwa 45.000 Mitgliedern, würden sich dazu entschließen, als Zeichen des guten Willens, der Verbundenheit zum Milieu oder warum auch immer Attac beitreten zu wollen. [. . .] Was würde es bedeuten, wenn die Grünen sich dem Netzwerk zur Einführung der Tobin-Steuer anschließen würden? [. . .] Dieses Gedankenspiel etwas weitergetrieben, kann ich mir (neben diversen positiven) vor allem zwei negative Reaktionen der Öffentlichkeit vorstellen: Die eine – sicherlich bei vielen JournalistInnen beliebte – wäre, Bündnis 90/ Die Grünen zu unterstellen, das nicht ernst zu meinen und allein um des symbolischen Schrittes willen den symbolischen Schritt zu gehen. [. . .] Die andere mögliche Negativreaktion könnte darin bestehen, dass Partei und heterogenes Bewegungsspektrum in eins gesetzt werden und alle Bemühungen, sich so regierungstauglich zu zeigen, mal wieder weggeschrieben werden.

Da symbolische Politik eine so wichtige Rolle spielt, ist nicht anzunehmen, dass Bündnis 90/ Die Grünen diese beiden publizistischen Risiken eingehen werden. Solange ein Beitritt der Gesamtpartei also eher unwahrscheinlich erscheint, bleibt dann nur der Weg, den die Münsteraner vorgegangen sind – und als Einzelpersonen und Gliederungen deutlich zu machen, dass Bündnis 90/Die Grünen immer noch eine Partei ist, die weiß, dass die Welt nicht am Nationalstaatsjägerzaun endet, und dass Nachhaltigkeit auch eine soziale Komponente hat.

TILL WESTERMAYER, Freiburg

betr.: „Wir müssen den Tiger reiten“ (Fücks-Interview), taz vom 27. 8. 01

Wenn der Kosovokrieg die Ausnahme von der Regel war, können wir die Bundeswehr ja jetzt abschaffen, weil sie nicht mehr gebraucht wird . . . Wäre sowieso das Beste.

FRANK MIETHING, Berlin

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