Grünen schmeckt Schily nicht

Zuwanderungsgesetz des Innenministers stößt bei Grünen auf scharfe Kritik. Berlins Justizsenator Wieland im taz-Interview: „Bestellt war Saltimbocca, geliefert wurde ungenießbares Eisbein“

BERLIN taz ■ Der Widerstand bei den Grünen gegen den Entwurf von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) für ein neues Einwanderungsgesetz nimmt zu. Berlins grüner Justizsenator Wolfgang Wieland verlangt von seiner Partei, eine Umsetzung des Schily-Konzepts zu verhindern. Im Interview mit der taz sagte Wieland: „Lieber kein Gesetz als dieses.“ Der Entwurf des Innenministers bedeute Einwanderung für wenige und eine Statusverschlechterung für viele. Über den Gesetzentwurf sei er sehr enttäuscht: „Bestellt war ein Saltimbocca alla Romana, geliefert wurde ein ungenießbares Eisbein.“

Sollten sich die Grünen mit ihren Forderungen nicht durchsetzen, ist Wieland für „eine Aufteilung des Gesetzes“. Auch der innenpolitische Sprecher der Grünen, Cem Özdemir, hatte dafür plädiert, die Bereiche Integration, Ausländerrecht und humanitäre Fragen zu verschieben, „bevor wir da im Schweinsgalopp Irrsinn beschließen“.

Im Gegensatz zu ihrem Kollegen Fritz Kuhn nannte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth eine Aufteilung des Gesetzes gestern „einen interessanten Gedanken“. Über das weitere Verfahren werde aber erst am Montag im Parteirat geredet, sagte Roth der taz.

Wieland übte heftige Kritik an grünen Bundespolitikern. „Für einen Teil der Bundestagsabgeordneten ist Einwanderung ein Schmuddelthema“, sagte er. Die zunächst verhaltene bis positive Reaktion der Parteispitze auf den Schily-Entwurf will er nicht „erklären oder rechtfertigen“.

Anfang der Woche hatten drei grüne Landesvorsitzende, Wieland und verschiedene Abgeordnete in einem Brief an die Parteispitze verlangt, den für den 26. September geplanten Kabinettsbeschluss über das Einwanderungsgesetz zu verschieben. Der Entwurf enthalte „gravierende Verschlechterungen insbesondere für Schutzbedürftige“. Nötig sei ein „angemessenes Beratungsverfahren“.

Claudia Roth sagte gestern, sie begrüße den Brief und nehme ihn „sehr ernst“. Er zeige, „wie wichtig dieses Thema für die grüne Partei ist“. Durch den Brief fühle sie sich „nicht angegriffen“. Nach langem Zögern machte Roth gestern deutlich, auch sie habe nun „erhebliche und massive Kritik an dem vorliegenden Entwurf“. So werde die „Schutzlücke“ für Opfer nichtstaatlicher Verfolgung „nicht geschlossen, sondern erweitert“. Wegen der vielen Kritikpunkte hält auch Roth den Zeitplan jetzt für „völlig unrealistisch“. LKW

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