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Nur Gras, Beck’s und Zärtlichkeit

Als die „asozialsten Rapper in Deutschland“ sind die Spezializtz von Musikkritikern bezeichnet worden. Am Samstag tritt die Berliner HipHop-Band bei der Hanfparade auf. Das ist irgendwie selbstverständlich, denn die Spezializtz sind bekennende Cannabinisten. Kiffen ist die Grundsäule ihres Lebens

Ihre Beats sind tief, die Texte schmutzig. Es geht um Sex, Alkohol, Selbstvergewisserung

von KIRSTEN KÜPPERS

Zunächst einmal ist davon auszugehen, dass alle Menschen kiffen: Rechtsanwälte, Lehrer, Manager, Fußballtrainer, Chefredakteure. Auch der Bundeskanzler und Sabine Christiansen. Roberto Blanco. Boris Becker. Außenminister Joschka Fischer, der sowieso. – Die ganze Welt ist ja haschsüchtig. Warum das keiner weiß? „Ey, da steckt die Bierlobby hinter, ist doch klar, Alter.“

So stellt sich die Ausgangslage dar an einem faulen Nachmittag im Sommer. Von einer schmalen Westberliner Mietshauswohnung aus gesehen, Matratzen am Boden und Jenifer-Lopez-Poster an der Wand. Für ein paar Jungs Anfang zwanzig, denen der letzte Joint gerade ausgegangen ist. Milde lächelnde HipHoper, denen nun im Kopf die Grenzen zwischen drinnen und draußen, oben und unten weich zerlaufen.

Und weil Cannabis trotz seines „Nutzens für die Massen“ immer noch nicht in Deutschland legalisiert ist, nimmt Oliver Harris plötzlich seine Rede wieder auf, kann es doch nur eine „Ehrensache“ sein, dass die „Spezializtz“ bei der Hanfparade am Samstag auftreten, ohne Gage. Harris ist 22 Jahre alt, trägt ein weißes Unterhemd, eine blaue Trainingshose und eine Afrofrisur. Zusammen mit seinem gleichaltrigen Freund Dean Dawson bildet er die afroamerikanische Berliner HipHop-Band „The Spezializtz“, eine der bekanntesten der Berliner HipHop-Szene.

Ihr Auftritt bei der Hanfparade ist irgendwie selbstverständlich. Die Spezializtz sind bekennende Cannabinisten. Ihre Platten haben sie jeweils groß mit „G.B.Z.“ überschrieben. Das steht für „Gras, Beck’s und Zärtlichkeit – die drei Grundsäulen unseres Lebens“, erklärt Harris. Auf Konzerten sieht man die zwei jungen Männer vor allem mit dicken Cannabis-Tüten vorm Gesicht. Ihre Beats sind tief, die Texte schmutzig. Es geht darin um Sex, Alkoholmengen, Selbstvergewisserung. Und vor allen anderen Dingen um ein ständiges Hobby: das Rauchen von Joints.

Natürlich hat ihnen das Ärger eingebracht. Als die „asozialsten Rapper in Deutschland“ sind die Spezializtz von Musikkritikern bezeichnet worden. Das kann in der HipHop-Szene auch als Kompliment gemeint sein. Aber die erste Platte der Spezializtz wurde 1998 ein Flop. In diversen Schulen galt sie als besonders schlimmer Fall von Leichtfertigkeit. „Viele Leute haben uns angekackt, dass wir Kinder zum Drogenkonsum anstiften. Dabei sind wir doch nicht verantwortlich dafür, was andere machen. Das ist einfach nur unser Lebensstil“, verteidigt sich Oliver. Lang und schlaksig hängt er jetzt auf der schwarzen Ledercouch, beschienen von der späten Augustsonne. Die Schrippe, die er sich in den Mund schiebt, ist mit Ketchup bestrichen.

Genauso wie die Frage nach gutem oder schlechtem Essen ist Erfolg nur eine Angelegenheit subjektiver Betrachtung. Allerdings verkauft sich das zweite Album der HipHoper gut, die dazugehörige Deutschlandtournee erhielt großen Zulauf. Alles läuft besser, seit die Spezializtz öffentlich betonen, ihre Musik sei auch als Warnung vor harten Drogen gemeint. „Es ist ja nicht so, dass wir Leute süchtig machen!“, räumt Oliver ein. Die Freunde auf der Matratze nicken.

Dean legt mit einem Sermon über die Vorzüge von Cannabis nach. „Ich bin von Natur aus ein sehr energetischer Mensch, laufe den ganzen Tag herum und bin trotzdem fit. Kiffen macht mich einfach locker, bringt mich in den Zustand, in dem ich über Sachen nachdenke, wo ich mir sonst gar keinen Kopf machen würde.“ Die medizinisch-therapeutische Wirkung von Cannabis sei ja längst bewiesen. Ein großes, weißes Entspannungs-Lächeln hat sich über sein Gesicht gelegt.

Es gibt andere Musiker, die Ärger bekommen haben wegen solcher Äußerungen. Der Mannheimer Rapper Xavier Naidoo zum Beispiel wurde Anfang des Jahres von einem Gericht zu einer Serie von Benefiz-Konzerten unter dem Motto „Keine Macht den Drogen“ verurteilt, nachdem er in einem Interview zugegeben hatte, gelegentlich einen Joint zu rauchen. Solche Sanktionen fürchten die Spezializtz nicht. „Ich würde auch bekifft zum Steuerberater gehen“, sagt Oliver. Überhaupt rauchten er und seine Kumpels jeden Tag Unmengen von Gras weg. Egal ob man nun im ICE sitze oder in irgendeinem Backstage-Raum. „Wir haben eine lebenslange Baugenehmigung“, meint er. Die Plattenfirma habe sich bisher jedenfalls noch nicht beschwert.

Das geht auch darum gut, weil das Kiffen zum Image passt. Ein bisschen subersiv, ein bisschen dreckig – bei HipHop, wie ihn die Spezializtz betreiben, stehen leichte Gesetzesübertretungen synonym für das Leben auf Großstadtstraßen. Oliver kann auf der Bühne vom Aufwachsen in „H-Town“ berichten, der Kindheit in den Kreuzberger Wohnblocks am Halleschen Tor. Die Joints liefern den schönen Rausch zum authentischen Ghetto-Gefühl. Und es ist als harmloses Lob gemeint, nicht als Warnung, wenn Journalisten nach einem Spezializtz-Konzert schreiben: „Die Infiltration mit „G.B.Z.“ beginnt, der HipHop-Sprengsatz inmitten der Bundeshauptstadt ist gelegt, die Sicherheitssysteme kapitulieren bei so viel Dopeness.“

Man wird also nicht den Untergang des Abendlandes erleben, wenn am Samstagabend um 22.20 Uhr die Spezializtz bei der Hanfparade auf die Hauptbühne vor dem Roten Rathaus steigen. Vielmehr zwei junge Männer, die etwas prollig und machohaft ihre Jugendkultur vorführen. Viele Tüten werden sie rauchen, selbstverliebt, aber auf ihre eigene Art sympathisch wirken. So funktioniert HipHop. Nicht zuletzt bietet die Hanfparade damit auch einen gelungenen Abschluss für den Sommer, der ja im Grunde nach ähnlichen Regeln abläuft.

Bei den Spezializtz ist der Kampf gegen die Kriminalisierung von Cannabis als langfristiges Projekt angelegt. Am 28. Dezember wird Oliver in der Columbiahalle einen „Highnachten“-Abend veranstalten. Bis dahin gehe das Leben weiter „mit Saufen, Kiffen und ,Simpsons‘ Gucken“. Oliver schaukelt sich auf dem Sofa gerade und öffnet eine neue Dose Alsterwasser, sein Kumpel packt schon mal die Blättchen aus.

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