Der Chef ohne Schuld

Bei der Hauptversammlung der Bankgesellschaft wäscht Bankchef Rupf seine Hände in Unschuld. Gleichzeitig verzichtet er vorläufig auf die Entlastung des Vorstands. Wenigstens dafür gibt es Applaus

von RICHARD ROTHER

Schuld sind immer die anderen. Für Wolfgang Rupf, Chef der schwer angeschlagenen Bankgesellschaft, war die Sache auf der gestrigen Hauptversammlung im Hotel Estrel einfach: Die Ursachen für das Milliarden-Desaster lagen in der Struktur der Bank, den unzureichenden Berichten der Wirtschaftsprüfer, den in den euphorischen Anfangsjahren seit 1994 gemachten Fehlern. Nur den Vorstand, und insbesondere dessen Vorsitzenden, trifft keine Schuld.

Fast melancholisch hielt der Noch-Chef der Bank seine Rede vor rund 3.000 Aktionären. Beifall bekam er nur einmal: als er den Antrag des Vorstands auf Entlastung vorläufig zurückzog – bis zur Vorlage der Prüfungsergebnisse von Bankenaufsicht, Untersuchungsausschuss und Staatsanwaltschaft.

Die Aktionäre konnte er damit nicht beruhigen. Kleinaktionärsvertreter Malte Disselhorst sprach vom „größten Skandal“ in der Bankengeschichte der Republik. „Das Versagen des Vorstands liegt auf der Hand.“ Der Zeitpunkt, nach vorn zu schauen, sei noch nicht gekommen. Zuvor müssten die Fehler der Vergangenheit schonungslos aufgeklärt werden. „Die Sonderprüfungsberichte müssen veröffentlicht werden.“

Zuvor hatte Rupf versucht zu erklären, was im großen Saal des Neuköllner Hotels niemand verstehen kann. Noch zu Jahresbeginn hatte der Bankchef seinen Aktionären mit einer Dividende gewunken; jetzt müssen sie – allen voran die bankrotte Hauptstadt als 56-prozentige Anteilseignerin – rund vier Milliarden Mark in die Bank stecken, um sie vor der Pleite zu bewahren. Für das vergangene Jahr steht ein Minus von 1,6 Milliarden Euro zu Buche, und die Geschäftsentwicklung in diesem Jahr verlief alles andere als rosig.

Die größten Probleme habe er bei seinem Antritt 1997 übernommen, so Rupf. Nicht einmal 4 Prozent der risikobehafteten Kredite seien seitdem ausgegeben worden. In den Jahren zuvor habe man jedoch „euphorisch Geschäftschancen in Berlin und in den neuen Bundesländern gesucht“ und die gebotenen Möglichkeiten der steuerlichen Sonderabschreibungen im Fondsgeschäft genutzt. Der rückläufige Markttrend habe viele Projekte zum Problemfall werden lassen, weiß Rupf. Warum aber diese mindestens seit 1996 bekannten Risiken nicht konsequent aufgearbeitet wurden – diese Antwort blieb der Bankchef den meist zornigen Aktionären schuldig.

Die entscheidende Strukturschwäche sei die Gründungsstruktur der Bankgesellschaft gewesen, versuchte Rupf zu erklären. Sie sei eher eine heterogene Bankengruppe denn ein einheitlicher Konzern. So sei es zu erheblichen Steuerungs- und Kontrolldefiziten gekommen. „Heute müssen wir feststellen, dass eine konsequentere Umsetzung der rechtlichen Einflussmöglichkeiten – wäre sie denn möglich gewesen – notwendig gewesen wäre.“

Detailliert erläuterte Rupf das Fehlverhalten früherer Vorstände – fünf sind heute nicht mehr im Konzern. Eines sei jedoch klar: „Die Bankgesellschaft ist in ihrer Struktur keine Vereinigung von Kriminellen.“ Der Vorstand in seiner heutigen Zusammensetzung zumindest sehe keinen Anhaltspunkt für ein persönliches Fehlverhalten.

Das ließ Kai Weigert von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre nicht unwidersprochen. Nicht nur der Vorstand, auch die zweite und dritte Führungsebene im Konzern habe versagt. Durch die jahrelange Verschleierung der Immobilienverluste sei es zu einer erheblichen Vernichtung des Aktionärskapitals gekommen. Die Aktie solle besser vom Kurszettel genommen, die Kleinaktionäre zum Einstandskurs abgefunden werden, forderte Weigert. Mit mittlerweile 8,30 Euro hat die Aktie seit Januar fast die Hälfte ihres Wertes verloren.

Insgesamt verlief die Hauptversammlung angesichts des Desasters überraschend ruhig. Und so sprach Rupf, ganz Konzernchef auf Abruf, ohne Unterbrechung auch schon einmal seine Dankesworte. Er dankte Aufsichtsrat, Berliner Senat und Abgeordnetenhaus, Bankenaufsicht und den 16.000 Beschäftigten.

Zu diesem Zeitpunkt hatten einige der meist schon in die Jahre gekommenen Anteilseigner bereits den Saal verlassen, um sich wenigstens am reichhaltigen Büffet zu entschädigen. „Mit den Papieren kann man ja jetzt Wände tapezieren“, klagte eine Aktionärin. Ein anderer versuchte es mit Galgenhumor, gab einen Arztwitz zum besten. „Worin besteht der Unterschied zwischen einem Krebspatienten und der Bankgesellschaft? – Der Patient hat eine gewisse Überlebenschance.“