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Berlin-Beta-Filmfest, die Zweite: Die Jugend steht still in Jessica Haussners „Lovely Rita“

Jung sein ist nicht unbedingt lustig. Die fünzehnjährige Rita lebt in Wien. Allein steht sie an der Haltestelle und wartet auf den orange Bus. Allein geht sie nach Hause, allein stapft sie durch Schulflure. Nur ihre grüne Jacke hat sie immer an. Es ist eine triste Welt, dieses Vorstadt-Wien einer Pubertierenden. Ihre Eltern sind spießige Langweiler. Wenn da nicht der Busfahrer wäre, der morgens und mittags ihre Monatskarte kontrolliert. Der könnte zwar fast Ritas Vater sein, übt aber eine starke Anziehungskraft auf sie aus. Deshalb vergisst sie absichtlich ihren blauen Pulli im Bus.

Diese Tristesse einer Jugend ist fast typisch für die kurze Laufbahn des Berlin-Beta-Filmfests. In seiner Reihe XYouth zeigen die Macher gern kleine Highlights des Jugendkults. Der großartige „Paul is Dead“ war so ein Beta-Jugendfilm, der dann auch prämiert wurde und öfter mal in den dritten Programmen der ARD lief.

Ob Rita es auch ins Fernsehen schafft? Wenn, dann wohl nur nachts. Denn der Film hat kaum Spannung, es passiert eben nichts wirklich Aufregendes, wenn man gerade 15 ist. Vielleicht kommt der Bus nicht, oder der Bus kommt, aber der Fahrer ist nicht der richtige. Einmal trifft Rita ihren Busdriver sogar in einer Disko – sie tanzen zu „Life is Life“, gehen aufs Klo und fummeln und knutschen. Aber auch das verändert scheinbar nichts. Immer noch liegt Rita am liebsten im Bett und lässt sich von ihrer Mutter das Essen auf dem Tablett bringen. Zum Lachen bringt sie nur ein kleiner Junge, mit dem sie sich anfreundet. „Ich bin nicht so dumm wie du“, lesen sie sich gegenseitig vor. Dann hören sie Mobys „Why does my heart feel so bad“ in dem Jugendzimmer mit der hässlich beigen Tapete.

Die beiden könnten jetzt wohl so etwas wie glücklich sein. Jessica Haussner, die das Buch zu „Lovely Rita“ schrieb und selbst Regie führte, hat mit Barbara Osika eine wunderbare Rita gefunden. Wie von Geisterhand gelenkt spielt sie die Rita. Jugendlich zu sein bedeutet ja vor allem, noch nicht fertig zu sein – und das auch gar nie werden zu wollen. Und es bedeutet sogar, dass die Erwachsenen in der eigenen Weltsicht eigentlich gar nicht existieren.

Der Wunsch, diese dann endgültig aus der Wahrnehmung rauszubeamen, wird bei Rita sehr radikal umgesetzt. Überhaupt, ein ruhiger, radikal schöner, geradliniger Film.

ANDREAS BECKER

„Lovely Rita“, Regie und Buch: Jessica Haussner. Österreich/Deutschland 2001, 80 Min. Heute, 31. 8., 20 Uhr, Hackesche Höfe 1; 1. 9., 20 Uhr, Eiszeit