islamunterricht
: In der nächsten Religionsfalle

Ab nächsten Montag wird die deutsche Schulkultur um eine Nuance reicher sein. Gegen den Willen von Schulsenator Klaus Böger (SPD), aber mit juristischer Billigung wird die Islamische Föderation zunächst an zwei Schulen islamischen Religionsunterricht erteilen. Doch das könnte erst der Anfang sein. Andere Religionsgemeinschaften stehen bereits in den Startlöchern.

Kommentar von UWE RADA

Möglich wurde der Islamunterricht aufgrund des Schulgesetzes. Im traditionell religionsfernen Berlin ist Religionsunterricht kein Pflicht-, sondern Wahlfach. Das Land stellt lediglich Räume zur Verfügung, für den Unterricht selbst sorgen die Religionsgemeinschaften – vorausgesetzt, sie sind zugelassen. Auf die Inhalte hat die Schulbehörde keinen Einfluss. Was als Schutz vor Indoktrination gedacht war, könnte sich nun als Bumerang erweisen. Noch hat das neue Schuljahr nicht begonnen, da sitzt der Schulsenator in der Religionsfalle.

Nun wird sich womöglich rächen, dass die Schulverwaltung bislang alle Energie darauf verschwendet hat, den Islamunterricht juristisch zu verhindern, anstatt nach praktikablen Alternativen zu suchen. Deren gibt es im Grunde nur zwei: die Ausweisung von Religionsunterricht als Wahlpflichtfach sowie die Einführung eines Pflichtfachs Lebenskunde, Ethik und Religion (LER) wie in Brandenburg.

Wäre dem Schulsenator und der CDU die Wiedereinführung von Religion als Pflichtfach am liebsten, ist der Rest der SPD strikt dagegen. Doch zur anderen Alternative konnten sich auch die Sozialdemokraten bislang nicht durchringen. Dabei gibt es mehrere gute Gründe, die dafür sprechen. In einer Einwanderungsstadt wie Berlin wird interkulturelle Kompetenz auch in Zukunft an Bedeutung zunehmen. Wer weiß, wann und warum Muslime, Juden oder Christen Feste feiern, wer die religiösen und kulturellen Tabus Andersgläubiger kennt, wird Fremden vielleicht mit mehr Respekt begegnen. Dafür ist es allerdings notwendig, dass die verschiedenen Religionen und Kulturen gleichberechtigt vermittelt werden. Das allein garantiert nur staatlicher, nicht aber konfessioneller Unterricht.

Dass die Sozialdemokraten eine solche Initiative bisher haben vermissen lassen, lag an den Auseinandersetzungen in Brandenburg und dem Widerstand der CDU gegen LER. Doch was der SPD in der großen Koalition recht war, darf ihr unter Rot-Grün nicht mehr billig sein.

Na klar: Auf eine Initiative zum Ethikunterricht würden die CDU und auch ein Teil der Elternschaft mit einem „Religionskampf“ reagieren. Doch der steht ohnehin ins Haus. Spätestens zur Länderfusion muss sich auch Berlin entscheiden, welchem Modell es folgen will. Warum also nicht sofort? Dann hätte der Wahlkampf wenigstens das so sehr vermisste politische Thema.