Der ratlose Schulsenator

Klaus Böger weiß noch nicht, wie er den Unterricht der Islamischen Föderation kontrollieren soll. Ansonsten sei der Schulbeginn aber „gut vorbereitet“, findet der Senator. Andere sind da skeptischer

von HEIKE KLEFFNER

Die Nummer mit der ruhigen Hand muss Schulsenator Klaus Böger (SPD) noch üben. Immer wenn es kritisch wird, flattern seine Hände vor dem urlaubsgebräunten Gesicht, malen große Kreise in die Luft oder umklammern Halt suchend die modische Brille. Und kritische Nachfragen musste sich der starke Mann der SPD-Rechten bei der gestrigen Pressekonferenz kurz vor Beginn des neuen Schuljahres en masse gefallen lassen. Neben dem Mineralfaserschock ist da vor allem das Debakel um den Islamunterricht der Islamischen Föderation. Am Mittwoch hatte das Verwaltungsgericht einem Eilantrag der wegen mutmaßlicher Kontakte zur islamistischen Milli-Görüs-Gruppierung als extremistisch eingestuften Föderation stattgegeben.

Ab Montag will die Föderation nun zunächst in der Kreuzberger Fichtelgebirge-Grundschule und der Rudolf-Wissel-Grundschule im Wedding Religion unterrichten. Böger bekräftigte, der Senat werde sich dem Gerichtsbeschluss beugen und den Unterricht der Islamischen Föderation – abhängig von den Zahlen der angemeldeten Schüler – genauso finanzieren wie den Unterricht der christlichen Religionsgemeinschaften. Ob und wie das Landesschulamt den Islamunterricht begutachten wird, konnte Böger gestern noch nicht erklären.

Auch bei der Frage nach weiteren rechtlichen Schritten hielt sich der Schulsenator bedeckt. Er deutete lediglich an, dass seine Behörde keinen Eilantrag an die nächsthöhere Instanz stellen wird. Selbst das weitere Vorgehen im Hauptsacheverfahren ist offenbar noch nicht entschieden. Die Doppelbotschaft gestern lautete: Eine Fortführung dieses Verfahrens wird nicht ausgeschlossen. Aber: „Das hat noch bis zum nächsten Jahr Zeit“, wiegelte Böger Nachfragen ab.

Während PDS, der Türkische Bund in Berlin und Brandenburg (TBB) und die CDU unisono die gerichtliche Schlappe kritisierten, erklärte der Gescholtene lapidar, er habe sich „keine Vorwürfe zu machen“. Grundsätzlich Neues in Sachen Religionsunterricht sei allenfalls in einem neuen Schulgesetz zu erwarten, das Böger in der nächsten Legislaturperiode durchboxen möchte.

Dagegen warf die PDS der Schulverwaltung „Konzeptionslosigkeit“ in Sachen Islamische Föderation und mangelnde Suche nach anderen Lösungsmodellen vor. Schärfere Kritik kam vom TBB. Das jüngte Urteil sei die Quittung für zwanzig Jahre Untätigkeit. Zuerst habe es Bögers Amtsvorgängerin Ingrid Stahmer (SPD) versäumt, die politischen Bedenken gegen die Islamische Föderation vor Gericht vorzutragen. Dann habe es Böger durch „Untätigkeit“ versäumt, eine annehmbare Alternative zu schaffen. Fazit des TBB: „Außer Verkündungen“ habe Böger keine Neuorganisierung des Religionsunterrichts auf den Weg bringen können. Nun solle der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) das Ganze zur „Chefsache“ machen und mit dem schon lange vom TBB geforderten Schulversuch „Islamkunde und Ethik“ beginnen.

Özcan Mutlu, bildungspolitischer Sprecher der Grünen, nutzte die Gelegenheit für eine deutliche Abgrenzung des kleinen Koalitionspartners von der Position Bögers in Sachen Religionsunterricht. Mutlu verwies darauf, dass die Grünen das Brandenburger Modell des religionsübergreifenden „LER“-Unterrichts favorisieren. Eine Option, die auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) befürwortet. Dagegen forderte die CDU erneut die Einführung von Religionsunterricht unter staatlicher Aufsicht sowie die Fächerkombination Ethik/Philosophie als Wahlpflichtfach.

Trotz aller Pannen lautete Bögers frohe Botschaft gestern an Schüler, Eltern und Lehrer: „Das neue Schuljahr ist gut vorbereitet.“ Mit der Einstellung von knapp 500 neuen Lehrern, 25 neuen Halbtagsgrundschulen und kleineren 1. und 7. Klassen in Schulen mit einem Anteil nichtdeutscher Schüler von mehr als 40 Prozent sieht sich Böger auf dem richtigen Weg.

Dagegen sagte der stellvertretende GEW-Landesvorsitzende Dieter Haase, eine 105-prozentige Lehrerversorgung, mit der Böger den Unterrichtsausfall senken will, sei wieder nicht erreicht worden. Allerdings werde erst ab Mitte nächster Woche ersichtlich, wo die Lücken bestehen. Wichtig sei die Durchsetzung der bildungspolitischen Ziele, damit es nicht bei Parolen bleibe.