Schill in Wilhelmsburg

■ Wie der rachsüchtige Richter Stimmen fängt und Stimmung macht

Reden kann er. Eine dreiviertel Stunde lang hält der politisierende Amtsrichter Ronald Schill am Donnerstag abend im Bürgerhaus Wilhelmsburg sein Publikum bei der Stange. Mit scheinbar harten Fakten, saftigen Beispielen und griffigen Botschaften trifft er das waidwunde Herz vieler Zuhörer. Die Angst in der Seele lässt sich bei den meisten leicht aufscheuchen, auch der Neid, und wer verzweifelt nicht manchmal am Unrecht in der Welt?

Schill evoziert bei seinem biederen Publikum Bilder des unbegreifbaren Anderen: Bauwagenplätze, Flora, Hafenstraße – rechtsfreie Räume für Minderheiten mit Sonderrechten die schnellstens zu beseitigen seien. Er spricht von Drogenhandel und Schutzgelderpressung durch Ausländer, für die ein deutscher Knast das reinste Paradies sei; von erlebnispädagogischen Reisen für straffällige Jugendliche („Waren Sie schon mal in Nepal?“) und er betet die Litanei der Kriminalstatistik herunter: zehnmal mehr Überfälle, sechsmal mehr Einbrüche, zehnmal mehr Süchtige als in München. Dass in der bayerischen Hauptstadt mehr Frauen vergewaltigt werden als in Hamburg verschweigt er.

Um Seriosität bemüht, demonstriert er die Nähe seiner Positionen zu denen der etablierten Politik: Gerhard Schröder (SPD) wolle Ausländer ausweisen, die ihr Gastrecht missbrauchen und Kinderschänder lebenslang wegsperren, zitiert er den Bundeskanzler. Der im Saal protestierenden Jugend hält er die Brechmittelpolitik von SPD-Innensenator Olaf Scholz vor. Er verweist auf die kritischen Kommentare des Ex-Bürgermeisters Henning Voscherau (SPD) und preist die Zero-Tolerance-Politik in New York. Gernot Knödler