Erst die Rede, dann die Bratkartoffeln

■ Das Beste an Einweihungen ist am Ende doch das Essen

Die Bremer Politiker brettern mit ihren schwarzen Mercedessen durch das Hafengebiet. Um 11.00 Uhr soll die Oslebshauser Hafenschleuse durch Wirtschafts- und Häfensenator Hattig (CDU) eröffnet werden. Die Arbeiter, die die Schleuse umgebaut haben, kommen auch. Zusammen zischt man etwas Bier und Sekt und tut so, als höre man den Rednern zu. Die Anzugshosen schlottern in der morgendlichen Brise. Weil sein Vorredner nicht aufhört, knetet Senator Hattig sich die Hände und zerrt an den Fingern.

Fast reißt er sich einen aus bis er endlich dran ist und spult dann seine Eröffnungsrede runter. Eine Traube roter Luftballons taumelt im Wind und boxt ihm ins Gesicht. Jemand hatte sie ausgerechnet neben dem Rednerpult angebunden.

In Norddeutschland lächelt man offenbar nur, wenn man muss. Schon gar nicht wenn nur eine Schleuse eingeweiht wird. Da scheint schon als höchstes norddeutsches Lob der Satz durchzugehen: „Da kann man nicht meckern.“

Natürlich gibt es auch für Hattig nichts an der Schleuse zu mäkeln: Für 24 Millionen Mark wurde sie vertieft, statt einem können jetzt vier Schiffe durchgewunken werden. Jetzt werden die „florierenden Häfen in Bremen“, die im vergangen Jahr beim Umschlag um 26 Prozent zugelegt haben, nicht mehr durch das Nadelöhr in ihrem Wachstum behindert, jubelt Hattig.

Nach der Rede das übliche Zeremoniell: Hattig schreitet zum Band, zückt die überdimensionierte Schere, und zerschneidet die Banderole. Dahinter: eine graue Straße auf dem Schleusentor. Der Vegesacker Seemanschor fängt an zu singen: „Wir waren im Osten, wir waren im Westen, in der Heimat ist's am Besten“. Und da geht die Schleuse auf, die Schiffe tuten – und alle flüchten hinter eine Schranke. Die Schleuse braucht sehr lange, um aufzugehen. Dann stakst der Senator zurück über die Absperrung, die Arme fest hinter dem Rücken verknotet.

Windia aus Torsö, ein Schiff mit 2000 Tonnen Glasbruch aus Schweden an Bord, fährt als erstes Schiff durch – et voilà! Die Schleuse funtioniert!

Am Ende der Veranstaltung beginnt der Teil, für den eigentlich alle gekommen sind: „Meine Damen und Herren, das Büffet ist eröffnet – die Theke auch.“ Die Anzugsknöpfe gehen auf, hier und da huscht ein Lächeln übers Antlitz und vor den Bratkartoffeln bildet sich eine lange Schlange.

Tom Brägelmann