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: Englands Presse ist diesmal nur gemäßigt kriegerisch

Bierkrüge statt Panzer

Einem Fritz kann man nicht trauen, er spielt schon wieder unfair. Das ist der Tenor der britischen Boulevardblätter im Vorfeld des morgigen WM- Qualifikationsspiels gegen Deutschland in München. „Fritz“, wie der Deutsche seit dem Weltkrieg heißt, hat das englische Team in einem Hotel neben dem Hofbräuhaus untergebracht. Dort würden jede Nacht trunkene Bayern mit Maßkrügen aufeinander losgehen. „1:0 für die Deutschen“, titelten die Blätter. Nicht nur, dass die englischen Spieler die ganze Nacht wach gehalten würden – darüber hinaus sei die Gegend berühmt für Prostituierte, die die wackeren Fußballer aus dem Mutterland des Spiels vom Pfad der Tugend abbringen wollen.

Selbst die BBC berichtete darüber in den Abendnachrichten. Allerdings verpuffte der Skandalbericht am Ende, als ein Sprecher des englischen Fußballverbands zu Wort kam. „Es ist ein Fünfsternehotel“, sagte er. „Hier haben die besten Teams der Welt gewohnt, zuletzt Manchester United. Wenn es sein muss, machen wir eben die Fenster zu, um uns vor dem Lärm zu schützen.“

Der Guardian reagierte nüchterner. „Es mag die Menschen daheim überraschen“, schrieb John Hooper vorgestern aus Berlin, „aber die Deutschen sind nicht so fixiert auf den Zweiten Weltkrieg wie die Briten.“ Sie seien den Briten im Gegenteil dankbar für die Befreiung vom Faschismus. Hooper nimmt sogar die deutsche Boulevardpresse in Schutz: „Ihrer Berichterstattung fehlt die ausländerfeindliche Gemeinheit, die den britischen Boulevardblättern eigen ist.“ Hooper meint, die Verteufelung der „Krauts“ habe mehr mit einem englischen Minderwertigkeitskomplex zu tun. Der Schluss des englischen Schlachtrufs – „. . . und eine Weltmeisterschaft“ – klinge doch eher Mitleid heischend denn provokativ: „Englands Fans schauen 35 Jahre zurück auf ihren Augenblick des Ruhms.“

Zwei Seiten weiter schürt aber auch der Guardian den Fußballkrieg. Das Blatt zitiert Uli Stielike, den Trainer der deutschen U19-Auswahl, der Englands Kapitän David Beckham als völlig überbewertet bezeichnet habe. „Er glaubt, dass Herthas Sebastian Deisler (the wunderkind midfielder) der begabtere Spieler sei“, schreibt die Zeitung empört.

Damit die englischen Schlachtenbummler nicht auf das Kriegsgeheul der britischen Presse eingehen, hat die Londoner Sonderpolizei vorsichtshalber 537 von ihnen die Ausreise verweigert. Nicht alle sind bereits bei Fußballspielen unangenehm aufgefallen. Es reicht, wenn die Polizei annimmt, dass sie Ärger machen wollen. Sie müssen ihre Pässe bis heute bei ihrem lokalen Polizeirevier abgeben. Es ist der größte Einsatz der Sondereinheit in ihrer Geschichte. Viele Beamte in Zivilkleidung werden sich unter die englischen Fans in München mischen. 15.000 Fans werden erwartet, aber nur 6.000 haben Eintrittskarten. Mark Steels von der Sondereinheit sagt: „Es ist die größte Operation, die wir jemals für ein Länderspiel im Ausland durchgeführt haben. Wir arbeiten eng mit der deutschen Polizei zusammen.“

Tickets sind nur an registrierte Fanclubs ausgestellt worden. Das Spiel gilt als Test für die neue Taktik, die der Fußballverband gemeinsam mit den Fanclubs erarbeitet hat, um Hooligans von solchen Spielen fernzuhalten. Die kleinformatigen Schmutzkübel der Boulevardpresse hätten lieber einen Krieg gegen Fritz. RALF SOTSCHECK