Rechtsfehlerbehaftet oder vorstrafenverdächtig?

■ Morgen verhandelt der BGH in Leipzig über die Revision von Richter Ronald Schill

Diese Kammer des Bundesgerichtshofes (BGH) hatte in Hambrug schon einmal von sich reden gemacht: 1998 sprachen die fünf RichterInnen zwei Polizisten frei, die den Journalisten Oliver Neß am Rande einer Demonstration krankenhausreif misshandelt haben sollen und dafür vom Hamburger Landgericht zur Rechenschaft gezogen worden waren. Morgen wird die Kammer erneut über einen Fall zu Gericht sitzen, der schon viel für Schlagzeilen sorgte: Der BGH verhandelt in Leipzig über die Revision von Ronald Schill.

Der Amtsrichter war im Oktober vom Hamburger Landgericht wegen Rechtsbeugung zu einer Geldstrafe in Höhe von 12.000 Mark verurteilt worden, weil er während eines Prozesses Zuschauer inhaftieren und fast drei Tage im Gefängnis sitzen ließ. In der Revision wird nicht der Vorwurf überprüft, Schill habe nach Inhaftierung der Prozesszuschauer bewusst deren Haftbeschwerde verschleppt. Es geht in der Verhandlung allein um die Frage, ob dem Landgericht bei der juristischen Würdigung des Geschehens ein Rechtsfehler unterlaufen ist.

Verneint das der BGH, wird das Landgerichtsurteil rechtskräftig. Dann ist Schill, der nach den Bürgerschaftswahlen Innensenator in Hamburg werden möchte, vorbestraft. Für diesen Fall hat er den Rücktritt vom eigenen Richteramt und allen Parteiposten angekündigt. Sieht der BGH hingegen einen Rechtsfehler, hat er zwei Möglichkeiten: Er kann den Fall an das Hamburgische Landgericht zurückverweisen. Dann müsste eine andere Kammer die Sache neu aufrollen. Oder aber er kann selbst einen Freispruch beschließen.

Dass es überhaupt zu der morgigen Anhörung kommt, ist als Indiz dafür zu werten, dass sich die fünf RichterInnen unter Vorsitz der Hamburgerin Monika Harms offenbar uneins über die Würdigung des Falles sind. Denn Generalbundesanwalt Kay Nehm hatte beantragt, den Vorwurf der Rechtsbeugung fallen zu lassen und Schill ohne weitere Verhandlung freizusprechen. Zwar bezweifelte der oberste deutsche Ankläger nicht, dass Schill damals die Haftbeschwerde nur zögerlich bearbeitete. Das sei jedoch nicht als so „pflichtwidrig“ einzustufen, dass Schill deshalb Rechtsbeugung vorzuwerfen wäre. Elke Spanner