Soldaten oder potentielle Mörder?
: Ungebrochener Protest

■ Neun Wochen Bundeswehr-Arrest

Heute gehen für den Totalkriegsdienstverweigerer Kai S. 63 Tage in Bundeswehr-Arrest zu Ende. Die taz sprach mit ihm über den Arrest. Seine Zelle ist gerade mal sechs Quadratmeter groß, inMintgrün, WC direkt an der Tür, Tisch mit Büchern, Stuhl, Liege. Ein Presseoffizier der Bundeswehr war die ganze Zeit dabei.

taz: Wie ist der Zellen-Tag?

Kai S.: Zwischen 5.30 und 6 Uhr wird von außen das Zellenlicht eingeschaltet. Gegen 6 Uhr werde ich für eine Viertelstunde zum Frühstücken in die Kantine gebracht, um 11.30 Uhr zum Mittag, um 16.15 Uhr zum Abendessen, von 17-18 Uhr habe ich eine Stunde Ausgang, spätestens um 21 Uhr wird das Licht gelöscht.

Wie verhalten sich die Wachhabenden?

Meist nett. Es sind sehr unterschiedliche Menschen, manche klopfen von sich aus an, bevor sie meine Zelle betreten. Es gibt aber welche, die dreimal in der Stunde durch den Sehschlitz gucken und es immer noch lustig finden.

Wie fühlst du dich, wenn du allein in der Zelle bist?

Ich vermisse vor allem meine Freundin. Die ersten vier Wochen war es am Schlimmsten. Gespräche mit Freunden vermisse ich, auch viele Kleinigkeiten, sich mal 'nen Kaffee kochen zum Beispiel.

Hast Du mal daran gedacht aufzugeben?

Ich habe nie daran gedacht, auch wenn es nicht leicht war. Ich wollte immer meinen Pazifismus konsequent leben, mich nicht einbinden lassen.

Wie ist das derart eingesperrt zu sein?

Man denkt halt viel nach, der Sommer zieht vorbei, man fühlt sich ziemlich ausgeschlossen. Das Schlimmste ist, dass man seine Freunde nicht zu sehen bekommt.

Was macht den Zivi-Dienst für dich so problematisch?

Die Zivis werden im Verteidigungsfall miteinbezogen.

Der Verteidigungsfall liegt derzeit aber in weiter Ferne, wieso also Totalverweigerung?

Ich bin Pazifist, ich möchte zu denen gehören, die klar nein zum Militär gesagt haben, am frühest möglichen Punkt.

Gibt es Soldaten, die dein Handeln verstehen?

Einige haben begriffen, warum ich es mache. Aber die Konsequenz, mit der ich es durchziehe, versteht hier keiner.

Gab es eigentlich Versuche von der Bundeswehr, dich einzuschüchtern?

Verschiedene Vorgesetzte haben von langen Haftstrafen gesprochen und mir Angebote gemacht, ohne Uniform und Waffe dienen zu dürfen. Das sind Versuche mich einzuschüchtern und einzuwickeln. Ich habe konsequent jedes derartige Angebot abgelehnt.

Willst du anderen mit deinem Handeln ein Beispiel geben?

Es ist wichtig, dass es Menschen gibt, die sich konsequent weigern. Mein Pazifismus ist mir wichtiger als Gesetze, die meinen Ansprüchen nicht genügen.

Wieviel Unterstützung bekommst du von außen?

Ich bekomme sehr viele Briefe, Bücher und Lebensmittel von Menschen, die genauso denken wie ich. Das ist für mich im Arrest sehr wichtig und dafür danke ich allen.

Wieso Arrest für Totalverweigerer?

Es ist völlig widersinnig, mich zur Besinnung zu bringen, da ich nicht das Falsche tue. Letztlich ist es eine Strafe, über zwei Monate 23 Stunden im Arrest zu verbringen.

Was forderst du stattdessen?

Wenn totale Kriegsdienstverweigerung schon strafbar ist, dann sollte es wenigstens gleich der zivilen Strafbarkeit übergeben werden. Das reicht, die Leute müssen nicht in 60 Tagen Arrest weichgekocht werden und es gab schon mal bis zu 125 Tagen.

Wie geht es jetzt weiter?

Montag 15 Uhr läuft mein Arrest ab, dann werde ich befragt, ob ich Befehle entgegennehme. Ich verweigere Befehle. Vielleicht beantragt der Kommandeur dann weiteren Arrest.

Fragen: Klaus Lübeck