„Arsch an die Wand!“

Die taz hat sich 57 Mal auf die Suche nach Berlins randigster Randsportart begeben – und sie endlich gefunden: Strict Curl. Wolfgang Nemack vom SV Siegfried-Nordwest – einst Gerüstbauer, Fliesenleger, Kabelträger beim Fernsehen und Kassierer in einer Diskothek – schildert die sportliche Randlage

Interview MARKUS VÖLKER

Nemack, „Wolle“ genannt, hat Strict Curl 1996 aus den USA nach Berlin gebracht. Der 55-Jährige ist seit 30 Jahren an der Hantel. Im Mittelgewicht (bis 75 kg) der Senioren liegt sein Rekord bei 55 Kilogramm. Er ist Weltreisender in Sachen Strict Curl. Seine Kontakte reichen bis nach Südostasien. Und mit Gene Hackman hat er einen Film gedreht („Ich war ein Gangster und Zombie“).

taz: Sind Sie bereit?

Nemack: Ich mach das hier nicht zum ersten Mal. Ich hab schon viele Interviews gegeben.

Kann man Strict Curl so beschreiben: den Hintern an die Wand bringen und dann zur Salzsäule erstarren?

Genau, genau. Arsch an die Wand! So begreifen das die Leute.

Und was ist mit den Armen?

Die müssen natürlich das Gewicht stemmen.

Aha!

Ich sage Ihnen, das Ding ist im Kommen. Beim nächsten Wettkampf wollen schon fast alle Studios in Berlin mitmachen. Ich bin ja mit denen allen befreundet. Und Strict Curl ist so leicht zu lernen. Man braucht nur äußerste Konzentration und ein bisschen Kraft.

Mehr nicht?

Nein, mein Schüler, Moh Nur aus Indonesien, wiegt nur 40 Kilo und hebt 39. Der ist unschlagbar, relativ gesehen.

Ihr Schüler?

Ich habe beste Kontakte nach Bali. Ich war da mal Nationaltrainer für Strict Curl. Und die Japaner haben mich auch schon mit einem Privatflieger abgeholt.

Kommt Strict Curl dank ihrer Initiative demnächst also groß heraus?

In Amerika ist das ein Topsport. Die machen das da am Strand und veranstalten große Meisterschaften. Wir wollen auch expandieren. Und darauf aufpassen, dass keine kraftlosen Pfeifen mehr zur Berliner Meisterschaft kommen.

Warum musste es denn gerade Strict Curl sein?

Also Gewichtheben ist Technik. Kraftdreikampf ist Kraft. Doch wenn man verletzt ist, an den Beinen zum Beispiel, aber noch starke Arme hat, dann macht man eben Strict Curl. Ich saß ja einige Zeit mit einer Verletzung im Rollstuhl.

Hat nicht jeder Bodybuilder schon einmal Strict Curl betrieben, ohne es zu wissen?

Im Unterbewusstsein vielleicht. Leider haben viele von den Jungs Wettkampfangst.

Werfen die deshalb so viele Pillen ein?

Ich schwemme davon auf. Ich mach das nicht mehr. Ich bin clean. Deswegen schicken die mich auch immer zur Doping-Untersuchung.

Wird der entsprechende Athlet nicht ausgelost?

Bei einer Meisterschaft im Kraftdreikampf fragte der Veranstalter mal: Wer ist denn hier Natur? Ich natürlich, habe ich geantwortet. Die anderen waren so voll mit dem Dopingzeug, dass es ihnen aus den Ohren quoll. Deswegen habe ich auch einen Batzen Geld von einem Sponsor bekommen. Für mich gilt: Keine Anabolika, keine Steroide, nur Champagner, Sambuca oder Arrak.

Bringt Strict Curl tatsächlich etwas ein?

Ich sage nur Sponsoren: Suzuki und so. In Japan habe ich den Suzuki-Cup gewonnen. Hier ist der Pokal, zum Beweis. Und wenn es eng wird, sage ich zu meinen indonesischen Freunden: Ich brauch Geld. Die legen immer zusammen. Und dann sind da noch meine Filmrollen. „Praxis Bülowbogen“. „Tatort“. Musicals.

Sie fliegen jetzt wieder nach Asien, um Strict Curl zu verbreiten?

Ja, ich bring die ganze Welt mit dem Arsch an die Wand.