Lobbyarbeit des Grußonkels

Nach dem Finale der Golden League hofft Meetingchef Stéphane Franke auf eine glänzende Zukunft des Leichtathletik-Sportfestes Istaf. Berlin soll sich fest in der künftigen Golden-Five-Serie etablieren

aus Berlin MARKUS VÖLKER

Die Aufgaben eines Meetingchefs sind vielfältig. „Den Grußonkel machen“ gehört dazu. Überdies bekannte Stéphane Franke, der frühere Langstreckenläufer, am Freitagabend: „Ich war Mädchen für alles.“ Vom Sportfest im Berliner Olympiastadion bekam Franke in seiner Funktion als Frühstücksdirektor nicht viel mit. Auf dem Weg von den Katakomben zur Pressekonferenz nahm er immerhin ausreichend Anlauf, um bei der Gewissheit anzukommen, das Golden-League-Finale sei vor 41.000 Zuschauern eine „runde Sache“ gewesen. So rund, dass die Schwierigkeiten überrollt wurden und das Istaf mühelos in die Zukunft kugeln kann.

Vor ein paar Wochen stand das Meeting vor der Absage. Betroffen vom Konkurs der Schweizer Vermarktungsfirma ISMM/ISL und dem Verlust von 1,6 Millionen Mark, litt das neue Organisationsteam um Franke außerdem unter den Streitigkeiten der drei Gesellschafter der Istaf GmbH. Die Berliner Leichtathletik-Vereine OSC, SCC und BSC machten sich gegenseitig das Leben schwer. Es galt auch, das Erbe des Istaf-Faktotums Rudi Thiel anzutreten, der 33 Mal das Sportfest dirigierte. Die neue Crew wurde in Berliner Zeitungen als „Kindergarten“ verspottet. Man sprach ihnen das Zeug ab, das Istaf erfolgreich zu führen.

Der Etat von 3,5 Millionen Mark wackelte mehrmals. So kamen nur 13 der 57 Weltmeister von Edmonton nach Berlin. Marion Jones ging lieber für Medienmogul Ted Turner und seine Goodwill Games im australischen Brisbane auf Werbetour. Die 100m-Sprinterin hatte sich ohnehin ihren Anteil am Jackpot der Golden League mit fünf Erfolgen gesichert. „Dass es zur Terminüberschneidung mit den Goodwill Games kam, ist ärgerlich“, sagt Franke. „Man sollte aber nicht blind nach Namen gucken. Wir mussten mit den Gegebenheiten leben, die da waren.“ Das heißt: Viele Athleten gingen nicht frisch an den Start. Der Marokkaner Hicham El Guerrouj gewann zwar seinen Lauf über 2.000 Meter und einen Anteil an der Gewinnausschüttung, aber er klagte ebenso wie andere Athleten über Müdigkeit.

Sechs Athleten teilten sich den Jackpot von einer Million Mark: Neben Jones und Guerrouj gewannen die Rumänin Violeta Szekely (1.500m), der Schweizer André Bucher (800m), die Russin Olga Jegorowa (3.000/5.000 m) und Allan Johnson (110m Hürden). Ihre Gewinnsumme: 166.000 Mark. Der Amerikaner Johnson gewann als einziger Athlet alle sieben Meetings. In Berlin lief er 13,04 Sekunden. Einen zweifelhaften Höhepunkt erlebten die Zuschauer mit dem Lauf der Frauen über 5.000 Meter. Ausgerechnet Jegorowa, die in den Ruch von Epo-Doping gekommen ist, lief Europarekord in 14:29,32 Minuten.

Und sonst? Sprinter Francis Obikwelu (Nigeria) kam auf 9,98 Sekunden; Michael Johnson wurde mit einer 4x200m-Staffel aus seiner Sportkarriere verabschiedet. Viel Unterhaltung der zirzensischen Art wurde geboten. Die deutschen Leichtathleten durften vor deutschem Publikum ein wenig gaukeln. Hochsprung-Weltmeister Martin Buß sprang weit – 7,37 Meter. Für Grit Breuer wurde eigens ein Lauf über die Stadionrunde arrangiert. Auch Lars Riedel ließ sich abfeiern.

Die Stabhochspringer durften in Berlin jedoch nicht ihre Stäbe biegen. Franke hätte mit seinem Verzicht auf diese Disziplin heftig straucheln können. Ecker, Stolle und Spiegelburg enttäuschten jedoch in Kanada, und Franke geriet nicht in Erklärungsnot. Im Gegenteil. Er fand die Zuschauerzahl „gigantisch“. Nichts gehe „den Bach runter“, versicherte er. Zu befürchten war, dass das zur Fußball- und Leichtathletikarena umgebaute Olympiastadion bald ohne Leichtathletik dasteht, falls Berlin in den Planungen des Weltverbands IAAF keine Rolle spielt.

Die Golden League wird umstrukturiert. Ab 2003 soll es statt sieben nur noch fünf Standorte geben. IAAF-Vizepräsident Helmut Digel schlägt hierfür ein „Leistungsprinzip“ vor, „indem Meetings auf- und absteigen können“. Er plädiert für Paris, Berlin, Zürich, Brüssel und London. Bis 1998 gab es die so genannte Golden-Four-Serie (Oslo, Zürich, Brüssel, Berlin).

Die Athleten wären heilfroh über eine Reduzierung. „Es ist sehr, sehr schwer, sich auf sieben Golden-League-Meetings zu konzentrieren“, sagte Guerrouj. Johnson pflichtete bei: „Gerade in einer Saison mit WM oder Olympia sind sieben zu viel. Man hat gesehen, dass sich einige Leute bei dieser Belastung verletzt haben.“ Franke hält es für möglich, dass Rom den Planungen zum Opfer fällt, auch Monte Carlo, wo in Zukunft das Grand-Prix-Finale ausgetragen werden könnte. Berlin werde hingegen nicht ausscheiden, glaubt Franke. Wirtschaftskraft und Zuschauerpotenzial sprächen für die Hauptstadt. Im nächsten Jahr findet die EM in München statt, drei Wochen danach das Istaf. Stéphane Franke darf dann wieder viele Hände schütteln.