Durchbruch bei Genpflanzen

Tomaten wurden genetisch verändert, gefürchtete Verbreitung der neuen Eigenschaften in die Umwelt über Pollenflug aber anscheinend nicht mehr möglich. Nachwachsende, essbare Impfstoffe und sehr vitaminhaltige Früchte geplant

von REINER METZGER

Einen wichtigen Durchbruch in der Gentechnik der Pflanzen signalisieren Forscher aus Münster und Freiburg. Es ist ihnen nach eigenen Angaben gelungen, Tomaten genetisch so zu verändern, dass sie neue Proteine in hohen Konzentrationen in den Früchten tragen – und dass die Pflanze trotz ihrer Fortpflanzungsfähigkeit die veränderten Gene nicht unerwünscht über Pollen weitergeben kann. Die Forscher um Professor Ralph Bock von der Uni Münster und Stephanie Ruf, Uni Freiburg, melden dies in einem Beitrag in der September-Ausgabe der Zeitschrift Nature Biotechnology.

Eine der Hauptgefahren bei genetisch veränderten Pflanzen ist die unkontrollierte Weitergabe des veränderten Erbguts an andere Pflanzen in der Nähe. Sobald das Erbgut im Zellkern verändert wird – wie bei den meisten bisher bekannten genveränderten Pflanzen – übertragen die fliegenden Pollen die Eigenschaften potenziell auf andere Pflanzen. Eine unkontrollierte Vermehrung zum Beispiel von Resistenzen gegen Spritzmittel ist deshalb nicht auszuschließen. Besser ist es daher, nicht den Zellkern (genauer die DNA), sondern anderes Erbgut in der Zelle zu verändern. Die Arbeitsgruppe um Bock verlegte sich auf die Chloroplasten, kleine Energiezentren, die zu Tausenden in jeder Zelle arbeiten. Das Erbgut dieser Bausteine außerhalb des Zellkerns wird nur von der „Mutterpflanze“ an die Frucht oder den Samen weitergegeben und ist in männlichen Pollen nicht enthalten.

Die Forscher wollen Pflanzen dazu bringen, Eiweiße oder andere Stoffe in hohen Konzentrationen zu produzieren, die dann in der Medizin oder als Nahrungsmittel Gewinn bringend vermarktet werden können: Essbare Medizin oder eine „Super-Tomate“, nicht als wässriges Treibhausgewächs, sondern als Vitaminbombe. „Wir wollen auch Tomaten herstellen, die Impfstoffe enthalten“, so der 33-jährige Bock zu einem BBC-Online-Reporter.

Das Problem bei Veränderungen der Chloroplasten bisher: Die gentechnisch programmierten Stoffe fanden sich praktisch nur in den grünen Pflanzenteilen und gerade nicht in den essbaren Früchten oder Wurzeln. Die Gruppe um Bock hat es anscheinend erstmals geschafft, die Konzentration der eingepflanzten Gene in der Frucht der Tomate auf die Hälfte der Konzentration in den Blättern anzuheben – das würde für die Anwendung reichen.

Die Pflanzengenetiker brachten die neuen Gene auf die Oberfläche von kleinen Goldkügelchen und beschossen damit die Chloroplasten. Mit neuen Aufzuchtmethoden und einigem Probieren wurden in dreijähriger Arbeit die entstehenden Pflänzchen in Laborgefäßen hochgepäppelt. Wann die ersten solcher Früchte in den Handel kommen, ist allerdings noch nicht absehbar. Vor allem aber könnte es angesichts der oft vielfältigen Vermehrungs- und Kreuzungsarten von Pflanzen auch bei „pollensicheren“ Sorten noch unliebsame Überraschungen geben.

www.biologie.uni-freiburg.de/data/bock/resreprt.htm