Kostenloses Sprachrohr

Der dänische Gewerkschaftsbund LO stürzt sich auf den Markt der Gratiszeitungen und beteiligt sich in Kopenhagen an „MetroXpress“. Eine eigene Bezahlzeitung ließen die Funktionäre dafür eingehen

aus Kopenhagen REINHARD WOLFF

Ab heutigem Montag ist die dänische Hauptstadt kein weißer Fleck mehr auf der Karte des Metro-Gratistageszeitungsimperiums des schwedischen Stenbeck-Medienkonzerns. Eigentlich sollte es ein Überraschungscoup werden, doch am Freitag sickerte die Nachricht durch und wurde schnell auf einer Pressekonferenz bekräftigt. Nur wenige Tage nachdem man in Madrid mit Metro Directo auf den Markt gekommen war, geht in Kopenhagen die weltweit mittlerweile 21. Metro-Ausgabe an den Start. Ab dieser Woche wird sie an allen S-Bahn-Stationen und in der Kopenhagener Innenstadt in einer Auflage von 130.000 Exemplaren verteilt werden. Die Besonderheit der dänischen Ausgabe: Der Gewerkschaftsbund LO, der dänische DGB, ist mit einem Drittel an der Kopenhagener MetroXpress beteiligt. Erstmals begibt sich damit eine Gewerkschaft auf den Markt der Gratistageszeitungen.

Was offenen Streit in der Gewerkschaftsbewegung auslöste. Denn gerade fünf Monate ist es her, dass man durch Streichung eines jährlichen Millionenzuschusses die kleine – zuletzt 40.000 Exemplare –, aber feine und letzte sozialdemokratische Tageszeitung Aktuelt zum Tode verurteilte. Die Beiträge der Gewerkschaftsmitglieder statt in eine seriöse Zeitung lieber in ein kostenloses Reklameblatt zu stecken ist vor allem in Kopenhagen selbst auf massive Kritik seitens der Basis gestoßen.

Birthe Thorenfeldt, Vorsitzende des Weiblichen Arbeiterverbands: „Es ist absolut nicht unsere Aufgabe, unser Geld in so ein Projekt zu stecken. Das ist eine Schweinerei.“ Bjarne Salomonsen, Chef der gewerkschaftseigenen A-pressen, dem nun zeitungslosen Organisationsüberbleibsel eines einst stolzen landesweiten sozialdemokratischen Pressekonzerns, verteidigt die Investition: „Für Aktuelt gab es ja nachweislich keine ausreichende Marktnische. Aber wir glauben, dass Metro ein gutes Geschäft wird.“

Und er macht gleichzeitig klar, dass das überaschende Begräbnis von Aktuelt vor einigen Monaten die Voraussetzung für das Metro-Engagement war: „Wir haben seit einem Jahr an dem Konzept gearbeitet.“ LO ist sich auch nicht zu schade dafür, den ehemaligen Aktuelt-JournalistInnen nach dem Verlust ihrer Arbeitsplätze noch einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen: MetroXpress kam am gleichen Tag heraus und besetzte alle Medienaufmerksamkeit, als die ehemalige Aktuelt-Besatzung eine neue Wochenzeitung lancierte, für das sie das Startkapital seit Monaten mühsam zusammengekratzt hatten. Nicolai Kampmann, Direktor dieser Wochenzeitung Weekend-nu: „Damit scheiden sich unsere Wege endgültig.“ Irgendeinen politischen Einfluss auf den Inhalt soll die Gewerkschaft angeblich nicht haben.

Der Chefredakteur von MetroXpress, Per Mikael Jensen: „Die Gewerkschaft kann sich Anzeigenraum kaufen, wenn sie den Lesern etwas zu sagen hat. Gewerkschaftsthemen werden wir nur bringen, wenn es etwas Wesentliches zu berichten gibt.“

Der stellvertretende Vorsitzende der Metallarbeitergewerkschaft hat offenbar andere Informationen erhalten: „Es wird sicher kein Sprachrohr der Gewerkschaftsbewegung werden.“ Dennoch hoffe er, das finanzielle Engagement am Zeitungsprojekt werde dazu führen, „dass es Beiträge geben wird, die beleuchten, für was wir einstehen und was wir zu sagen haben.“

Angesichts des den übrigen Metro-Ausgaben ähnlichen Grundkonzepts wird das nicht viel werden. MetroXpress soll im Wesentlichen knappe Tickermeldungen enthalten. Chefredakteur Jensen: „Wir wollen den Lesern einen Nachrichtenüberblick liefern. Große Hintergrundartikel oder Reportagen wird es nicht geben.“ Die abgesehen vom Anfangskapital ausschließlich anzeigenfinanzierte Zeitung wird vermutlich den sowieso engen Kopenhagener Tageszeitungsmarkt noch umkämpfter machen. Zehn Prozent des Anzeigenkuchens braucht das Projekt MetroXpress mindestens, um rund zu laufen. Die drei großen Konkurrenten Berlingske Tidende, Politiken und Jyllands Posten liefern sich seit Jahren sowohl mit Rabatten und Kampagnen wie mit neuen redaktionellen Angeboten einen knallharten Streit um LeserInnen und Anzeigenkundschaft. Mit der Folge, dass die Gewinne in den Keller gingen oder gar rote Zahlen geschrieben werden.

Die Marktführerin Berlingske Tidende hat gerade die Entlassung jedes siebenten Mitarbeiters angekündigt, gleichzeitig plant man aber dem Vernehmen nach ebenfalls eine Gratistageszeitung – man hat sich schon vor Jahren das Namensrecht für Metro gesichert.

Während man mit immer neuen Metro-Ausgaben expandiert und mittlerweile täglich vier Millionen Exemplare verteilt, kommt der Stenbeck-Konzern durch die fast ausschließlich nur Verluste schreibenden Gratistageszeitungen auf dem Kapitalmarkt immer mehr in Bedrängnis. Im ersten Halbjahr 2001 machte die Gratiszeitungstochter Metro International 38 Millionen Dollar Verlust. Bei einem Umsatz von 58 Millionen Dollar. 20 Millionen Dollar bekam man gerade vom Mutterkonzern geliehen, um die dringendsten Löcher zu stopfen. 70 Millionen Dollar will man über die Ausgabe von Aktien an der Börse zusammenkratzen.

Wenn die mitspielt. Denn beim aktuellen Verlustniveau sind auch die in weniger als einem Jahr verbraten. Die an der Nasdaq-Börse notierte Metro-International verlor seit Jahresbe- ginn 60 Prozent ihres Wertes.