Australiens anglophiler Buchhalter

Premierminister John Howard ist die Verkörperung des rückwärts gewandten Teils der australischen Gesellschaft

Australiens Premierminister John Howard, der 62-jährige Anwalt aus Sydney, hat mit seinem Kurs in der jüngsten Flüchtlingskrise um den norwegischen Frachter „Tampa“ wieder seine streng konservative Haltung bewiesen.

Im Vergleich zu Neuseelands Premierministerin Helen Clark oder Osttimors Außenminister José Ramos Horta, die unkompliziert die Aufnahme eines Teils der Flüchtlinge anboten, bestätigte Howard sein Image als bornierter Buchhalter, der Flüchtlingen nichts schenken will. Doch womit Howard international eine schlechte Figur macht und wofür sich weltoffene Australier schämen, damit kann er innenpolitisch oft punkten.

Denn Australiens Gesellschaft ist zweigeteilt, meint der Politologe Robert Manne aus Melbourne. Ein hauptsächlich großstädtischer Teil der Bevölkerung wolle, dass das Land endlich zur Republik werde, sei am Multikulturalismus und der Aussöhnung mit den Aborigines interessiert und ginge auf die asiatischen Nachbarn zu. Der andere Teil der Bevölkerung, der vor allem in den Vorstädten und dem australischen „Bush“ lebe, halte laut Manne dagegen an der britischen Queen als Staatsoberhaupt fest und definiere das Land über seine anglokeltische Tradition. Diese Menschen grenzten sich auch von ihren asiatischen Nachbarn ab und wollen das den Aborigines angetane Unrecht nicht anerkennen. Genau diesen Teil Australiens verkörpert Premierminister John Howard.

Der Sohn eines Tankstellenbesitzers ist seit 26 Jahren ein politischer Profi, der meist die Stimmung der Mehrheit im Lande richtig einschätzt. So hofft er wohl auch jetzt, mit der harten Haltung in der Flüchtlingskrise nicht nur der wieder erstarkten rassistischen Partei One Nation das Wasser abzugraben, sondern auch die oppositionelle Labor Party vorzuführen, die sich jetzt weniger deutlich positionierte. Ob die Rechnung für Howard aufgeht, der nach mehreren regionalen Wahlniederlagen in diesem Jahr bereits als angezählt galt, wird sich bei den Wahlen auf Bundesebene zum Jahresende zeigen.

Es wäre nicht das erste Mal, dass ein schon abgeschriebener Howard wieder aufersteht. 1987 führte er seine Liberale Partei, die besser Konservative Partei hieße, in die Niederlage und verlor später auch den Parteivorsitz. Doch Howard gelang die Revanche. 1996 vertrieb er Labor von der Macht. Howards Vorgänger Paul Keating war zu forsch auf die asiatischen Nachbarn zugegangen und hatte mit seinen Reformen den konservativen Teil der Bevölkerung überfordert, was Howards anglophile Haltung und die von ihm ausgestrahlte solide Langeweile für viele attraktiv machte. Mit einer für asiatisch-pazifische Verhältnisse gesunden Wirtschaftspolitik konnte er seinen Erfolg 1998 wiederholen.

Doch schon bei den Olympischen Spielen in Sydney vor einem Jahr zeigte sich, dass Australien moderner und fortschrittlicher ist als sein Premier, von dem keinerlei Inspirationen ausgehen. Der Monarchist Howard verhinderte trotz einer deutlichen Mehrheit in den Umfragen für die Republik deren Einführung. Mit der unbeliebten Warenumsatzsteuer stieß er auch viele seiner Anhänger vor den Kopf. Doch jetzt zeigt der Konflikt um die „Tampa“, dass Howard es unbedingt noch einmal wissen will. SVEN HANSEN