Bahn bremst sich selber aus

Lust und Frust: Personalmangel und Zugstopp auf einer Nebenstrecke in Niedersachsen, während Bahnchef Mehdorn im ICE 3 eine neue Höchstgeschwindigkeit erreicht

BERLIN taz/dpa ■ Die Deutsche Bahn bremst sich selber aus: Wegen Personalmangels war am vergangenen Wochenende ein Stellwerk im niedersächsischen Wulften fünf Stunden lang nicht besetzt. Folge: Die Schranken entlang der Südharzstrecke Northeim–Nordhausen konnten nicht geschlossen werden. Die Zugführer mussten vor jedem Gleisübergang aussteigen, nach Autos Ausschau halten und konnten erst dann im Schritttempo über die Straßen rollen. Betroffen waren auf der „Nebenstrecke“, so Bahnsprecher Hans-Jürgen Frohns, nur Regionalzüge.

Laut Bahngewerkschaft Transnet sind solche Vorfälle keine Seltenheit: „Es ist zu viel Personal abgebaut worden“, so Transnet-Sprecher Hubert Kummer. Dem widerspricht Bahn-Sprecher Frohns: „Es ist Urlaubszeit, und dann gab es noch Krankheitsfälle“, deshalb sei das Stellwerk am vergangenen Samstag zwischen 4.50 und 9.45 Uhr nicht besetzt gewesen.

Nur Pech? Das Argument möchte der Transnet-Sprecher nicht gelten lassen: „Dem zuständigen Niederlassungsleiter war es wohl wichtiger, sein Budget einzuhalten, als betriebliche Notwendigkeiten zu erfüllen.“ Es sei unverständlich, warum nicht aus einer benachbarten Niederlassung ein Ersatz „ausgeliehen“ werden konnte. Kummer: „Es ist schon schlimm, wenn der Personalmangel so eklatant ist, dass er noch nicht einmal mehr durch Überstunden auszugleichen ist.“

Bahn-Sprecher Frohns spricht dagegen von einer „Notlösung“ in einem „Einzelfall“: „Die Alternative wäre gewesen, die Züge ausfallen zu lassen.“ Schuld sei nicht eine falsche Personalpolitik der DB: Es hätten sich lediglich ungünstige Umstände verkettet.

Auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Wolfsburg und Rathenow herrschte da gestern bessere Stimmung: Dort knallten im ICE 3 die Sektkorken. Das Flaggschiff der DB absolvierte auf der 120 Kilometer langen Strecke die Zulassungsfahrt für 330 Stundenkilometer. Mit an Bord war auch Bahn-Chef Hartmut Mehdorn. Der ICE 3 ist das Schmuckstück der Bahn, bislang durfte der Zug nur 300 Stundenkilometer fahren. Bei der Fahrt gestern erreichte der ICE 3 sogar 368 Stundenkilometer. Ende des Jahres soll die Zulassung für 330 Stundenkilometer beim Eisenbahnbundesamt eingereicht werden. Der ICE 3 soll ab 2003 hauptsächlich auf der Neubaustrecke zwischen Köln und Frankfurt rauschen. CV

Transnet: www.transnet.org