Kritik von amnesty bis Caritas

Zehn Wohlfahrtsverbände und Flüchtlingsorganisationen lehnen Schily-Entwurf ab. Sie sehen „gesetzlich geregelte Rechtlosigkeit“. Zu wenig Schutz für nicht staatlich Verfolgte

BERLIN taz ■ Amnesty international (ai) und neun weitere Nichtregierungsorganisationen sehen in dem Gesetzentwurf von Innenminister Otto Schily (SPD) zur Zuwanderung Verschlechterungen beim Schutz von Flüchtlingen. Zu den Unterzeichnern einer gestern vorgestellten, kritischen Stellungnahme zählen unter anderem die Arbeiterwohlfahrt, der Caritasverband, der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband und Pro Asyl.

Trotz mancher Verbesserungen drohe Deutschland im Vergleich zu europäischen und internationalen Regelungen weiter in die Isolation zu geraten, erklärte ai-Flüchtlingsexperte Wolfgang Grenz in Berlin. Vor allem für Opfer nicht staatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung bedürfe es einer gesetzlichen Klarstellung. Sie seien als politische Verfolgte zumindest im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anzuerkennen – hierüber finde sich aber kein Hinweis in Schilys Entwurf.

Die SPD wurde aufgefordert, sich nachdrücklich für die Aufnahme ihres eigenen Vorschlags einzusetzen, wonach in Fällen nicht staatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung die Interpretation der Europäischen Menschenrechtskonvention durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Grunde gelegt werden soll. Auch bei einer Reihe anderer Punkte liegen die Nichtregierungsorganisationen mit Schily im Dissens: So verlangen sie die Beibehaltung der Weisungsunabhängigkeit der Einzelentscheider, die über Asylanträge zu befinden haben.

Für besonders problematisch hält ai die geplanten Neuregelungen für bisherige Flüchtlinge mit Duldungsstatus. Diese sollen nunmehr eine Bescheinigung über den Abschiebeschutz erhalten. Doch nach den Bestimmungen des Entwurfs würde laut ai für zwei Drittel der rund 260.000 Betroffenen möglicherweise noch nicht einmal diese neue Bescheinigung gelten.

Was in Schilys Begründung des Entwurfs als Verbesserung gegenüber der derzeitigen Rechtslage gepriesen werde, erweise sich in Wirklichkeit als eine „gesetzlich geregelte Rechtlosigkeit“, erklärte Grenz.

Harsche Kritik übte ai auch an der geplanten Regelung für Personen, denen nach Ansicht der Ausländerbehörde die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist. In diesen Fällen sieht der Entwurf eine Aufenthaltserlaubnis ausdrücklich nicht vor. Erstmals wird laut ai dem Ausländer damit der Nachweis abverlangt, dass seine Ausreise in ein Drittland nicht möglich oder unzumutbar ist.

Abgelehnt wird von ai das von Schily vorgeschlagene Kirchenasyl. Der Schutz der Flüchtlinge sei Sache des Staates, eine „Privatisierung“ des Flüchtlingsschutzes werde man nicht mittragen.

Als „Bruch des Völkerrechts“ bezeichnete Grenz die Neufassung zu den so genannten Nachfluchtgründen. Setzt sich ein Ausländer erst nach Ablehnung seines Asylantrages durch Teilnahme an politischen Aktivitäten einer Bedrohung bei der Rückkehr ins Heimatland aus, soll ihm künftig der Flüchtlingsstatus regelmäßig nicht zuerkannt werden. Damit hofft Schily, die Praxis der „Kettenduldungen“ zu durchbrechen.

Politische Betätigung, so Grenz gestern, gehöre aber auch für Flüchtlinge zum „unveräußerlichen Menschenrecht“. SEV