Quakende Plage verspeist Kulturerbe

Die Agakröten wurden zur Schädlingsbekämpfung nach Australien gebracht. Nun bedrohen sie den berühmten Kakadu-Nationalpark

SYDNEY taz ■ Sie hopsen bis zu 30 Kilometer im Jahr im weiten Land umher. Und sie fressen so gut wie alles, was in ihr Maul passt. Kein Mikro-Kriechtier ist vor ihnen sicher und selbst Schlangen, Beuteltiere und Raubvögel sterben in wenigen Minuten, wenn sie sie verzehren: die giftigen Agakröten. Nun haben die Bufo marinus den Sprung in den berühmten Kakadu-Nationalpark geschafft und bedrohen dort die einheimische Fauna. Umweltministerium und Wissenschaftler wollen nichts unversucht lassen, um die Kröten zurückzudrängen.

Die Tiere führte die Zuckerrohrindustrie einst aus Südamerika ein, um auf den Plantagen Australiens Schädlinge zu vertilgen. Die ersten 110 Kröten importierten Farmer 1935, um zwei Zuckerrohrkäferarten auszurotten. Doch die Kröten taugten nicht zur Bekämpfung der Käfer. Stattdessen wurden sie selbst zur Plage. Nach nur einem halben Jahr stieg die Zahl der warzigen, olivfarbenen bis braunroten Kröten dramatisch auf 60.000. Und es kam noch schlimmer: Die Agakröten breiteten sich immer mehr aus. Heute ist ihre Dichte in Australien etwa zehnmal so hoch wie im Ursprungsland Venezuela.

Auf dem Speiseplan der Agakröten stehen Pflanzen, Käfer, Insekten, Mäuse, Frösche, Eidechsen, Schildkröten, Vögel und selbst ihre eigenen Jungen. Aber auch Krokodile, Hunde, Katzen und Menschen haben schon unangenehme Bekanntschaft mit ihr gemacht. Die Agakröte, die aufgrund ihrer Ungenießbarkeit praktisch keine natürlichen Feinde hat, besitzt zwei Giftdrüsen am Hinterkopf. Wird sie attackiert, kann sie das Gift Bufotoxin bis zu zwei Meter weit spritzen. Beim Menschen verursacht es Reizungen an Haut und Schleimhäuten. Kommt es in die Augen, kann es vorübergehend zur Erblindung führen.

Im Frühjahr hat die Agakröte den fast 20.000 Quadratkilometer großen Kakadu-Nationalpark erreicht. Das Management des Nationalparks fürchtet jetzt, dass die Kröte in dem Biotop für seltene und vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten die einheimische Kleintierwelt schrittweise dezimiert und das ökologische Gleichgewicht des Parks zerstört. Der Park, von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt, ist wegen seiner hohen Luftfeuchtigkeit und Insektenvielfalt sowie Überschwemmungsgebieten ein Paradies für die Agakröten.

„Ein sehr ernst zu nehmendes Problem“, sagt Park-Manager Terry Bayley. Die Kröten berohten seltene Echsen- und Schlangenarten sowie die Dingos. „Wir beobachten den Park ständig und haben Abhöreinrichtungen aufgestellt, um Kröten und ihre Dichte zu identifizieren.“

Das australische Umweltministerium reagierte auf den Vormarsch der Kröten in den Kakadu-Nationalpark nervös: „Die Regierung ist beunruhigt über den Einfluss von Agakröten und wird mit Parkhütern, Wissenschaftlern, Aborigines und Gemeinden zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass das Kakadu-Weltkulturerbe geschützt ist“, sagt Umweltminister Robert Hill.

Um ein ökologisches Desaster abzuwenden, suchen zudem Wissenschaftler der CSIRO (Commonwealth Scientific Industrial Research Organization), Australiens größter wissenschaftlicher Forschungsorganisation, derzeit fieberhaft nach einem Gen. „Unser Ziel ist es, ein Gen zu entwickeln, dass die Metamorphose der Zuckerrohrkröten beeinflusst, sodass sie sich erst gar nicht reproduzieren können“, sagt CSIRO-Forscher Tony Robinson. Ein entsprechendes Gen könnte dann mittels eines Virus in die Krötenpopulation eingeschleust werden. Frühere Versuche der CSIRO haben bereits gezeigt, dass aus Venezuela eingeführte Viren die Agakröte töten. Das Problem war nur, dass auch einheimische Froscharten daran starben. Deshalb soll das Virus nun abgeschwächt werden.

Bis zum erfolgreichen Einsatz der Gentechnik sind Besucher und Anwohner des Parks aufgerufen, gesichtete Kröten sofort zu melden. Die Tiere werden dann eingefangen und auf traditionelle Weise getötet. Inwieweit Viren die Agakröten tatsächlich dauerhaft ausrotten können, bleibt fraglich. Denn auch die Plage der ebenfalls importierten Kaninchen wollten die Australier mit einem Virus bekämpfen. Zwischenzeitlich wurden die Tiere dagegen jedoch immun. CORINA JÜRGENSEN