Schily in die Zange genommen

Konsens über Zuwanderung rückt in weite Ferne. Grüne: Konzept des Innenministers „in hohem Maße unbefriedigend“. Union beharrt auf strikter Begrenzung der Einwanderung. Nur Liberale wollen der SPD als Mehrheitsbeschaffer dienen

BERLIN taz ■ Ein klares Ja zum neuen Zuwanderungsgesetz kommt nur noch von den Liberalen. Parteichef Guido Westerwelle versicherte gestern: „Herr Schröder hat dafür die Stimmen der FDP sicher.“ Immerhin. Aber das wird nicht reichen. Der Kanzler und sein Innenminister Otto Schily wollen einen parteiübergreifenden Konsens von Union bis Grüne – und der scheint seit gestern weiter entfernt denn je.

CDU und CSU beharrten auch nach einem Treffen mit Schily am Sonntag auf ihrer Forderung nach einer strikten Begrenzung der Einwanderung.

CSU-Generalsekretär Thomas Goppel verlangte gar eine weitere „Eindämmung des Asylmissbrauchs“. Die Grünen dagegen bestehen auf deutlichen Nachbesserungen beim Flüchtlingsschutz. Vorstand und Parteirat wiesen Schilys Konzept gestern einstimmig als „in hohem Maße unbefriedigend“ zurück. Parteichefin Claudia Roth betonte, das Zuwanderungsgesetz dürfe nicht „zu Lasten der Humanität“ gehen.

Die Forderungen von Union und Grünen scheinen unvereinbar, auch wenn Schily glaubt: „Das Maß an Übereinstimmung ist größer, als manche vorgeben.“ Bei den Meinungsverschiedenheiten handele es sich um Missverständnisse, die „technischer Natur“ seien. „Es kann sein, dass der vorgelegte Entwurf nicht richtig verstanden worden ist“, sagte Schily und bot weitere Gespräche an.

Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) äußerte sich gestern „sehr skeptisch“ zu den Konsenschancen bei dem Zuwanderungsgesetz. Auch CSU-Chef Edmund Stoiber erteilte Schilys Vorstellungen eine erneute Absage. Wer die Milliardenkosten der Integration tragen solle, sei völlig ungeklärt – und der Innenminister ignoriere die Sorgen der Bevölkerung vor einer ungesteuerten Zunahme der Zuwanderung. Auch Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) bekräftigte, der Schily-Entwurf sei „unter keinem Gesichtspunkt“ zustimmungsfähig.

Trotz aller Gegenstimmen will Schily zügig weitermachen. „Ich kann allen nur raten, den straffen Zeitplan einzuhalten“, sagte Schily gestern und blieb bei seinem Ziel, bis zum 26. September eine Kabinettsvorlage erarbeiten zu wollen. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, „wir brauchen ausreichend Beratungszeit“, und stellte Schilys Zeitrahmen in Frage. Dagegen sagte SPD-Fraktionschef Peter Struck, die SPD halte daran fest, das Zuwanderungsgesetz wie geplant noch in diesem Jahr zu verabschieden. LKW

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