Habe nun ach

Erstaufführung aus dem Goethe-Nachlass: Dramen Beust I und Beust II im Schauspielhaus  ■ Von Peter Ahrens

Es soll die Theatersensation des Herbstes werden. Das Deutsche Schauspielhaus wird das erste deutsche Theater sein, das das erst kürzlich von Literaturwissenschaftlern entdeckte und über Jahrhunderte verschollen geglaubte Frühwerk Johann Wolfgang Goethes, „Beust I“ und „Beust II“, aufführen wird. Die Handlung ist schnell erzählt: Ein Politiker, der jahrelang erfolglos zur Macht strebte, verbindet sich mit dem Bösen und schließt mit ihm einen Pakt, um doch noch auf den Thron zu kommen. Sein Werben um das so genannte Gretchen bringt ihm das Verhängnis.

Anstelle des glücklosen Tom Stromberg wird Christoph Schlingensief in Hamburg inszenieren. Der taz liegen exklusiv sowohl Besetzungsliste als auch Textproben aus dem Goethe-Drama vor. Schlingensiefs Coup: Auch die Frauenrollen werden von Männern gespielt. Als Beust agiert dabei – logisch – Nestroy-Ringträger Ole von Beust, Ronald Schill, zuletzt gefeiert in „Der Richter und sein Henker“, ist Mephistopheles, Rudolf Lange, nach seinem Engagement in dem absurden Beckett-Drama „Warten auf Guido“, gibt das Gretchen. In seiner bisher größten Rolle als „DER HERR“: Ortwin Runde.

Die taz wird Beust I und Beust II in Auszügen veröffentlichen und eröffnet damit ihre literarische Woche zur Bürgerschaftswahl. Natürlich ist das auch ein Beitrag zur Künstlerinitiative „Zu schön, um rechts zu sein“. Daher werden in Nebenrollen nicht nur Eugen Wagner als Wagner, sondern auch Udo Lindenberg als Hexe und Hans Scheibner als Marthe Schwerdtlein auftreten.

1. Szene: Die Erscheinung:

BEUST: (hält die neuen Meinungsumfragen in der Hand). Ich fühl es wohl, noch bin ich weit zurück. Das will mir schier das Herz verbrennen. Was bin ich denn, wenn es nicht möglich ist, der Menschheit Krone zu erringen?

(Ihm erscheint DER HERR.)

BEUST: Schreckliches Gesicht!

DER HERR: Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen. Und wenn der ganze Kreis verhöhnt, mein Pathos brächte dich gewiss zum Lachen.

BEUST: Weh, ich ertrag dich nicht.

DER HERR: Allein bei meinem Bart fehlt mir die leichte Lebensart. Es wird mir der Versuch nicht glü-cken, ich wusste nie mich in die Welt zu schicken. Vor andern fühl ich mich so klein, ich werde stets verlegen sein. Wer bist du denn? Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen gewöhnlich aus dem Namen lesen.

BEUST: Ich bins, bin Beust, bin deinesgleichen. Hier sitz ich wie der König auf dem Throne, den Zepter halt ich hier, allein es fehlt die Krone.

DER HERR: Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir.

BEUST: Was wettet ihr? Das sollt ihr noch verlieren.

DER HERR: O glücklich, wer noch hoffen kann, aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen. (greift zur Hochglanzbroschüre der rot-grünen Regierungsbilanz und blättert entrückt darin) Die unbegreiflich hohen Werke sind herrlich wie am ersten Tag. Bin ich ein Gott? Mir wird so licht. Es zucken rote Strahlen mir ums Haupt. (tritt ab)

BEUST: Mir ist für meine Wette gar nicht bange.

wird fortgesetzt