Aufgehoben und aufgeschoben

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes verkauft Ronald Schill Niederlage als Sieg. Häme von SPD, GAL und Regenbogen  ■ Von Elke Spanner

Vor der gestrigen Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) in der Revisionsverhandlung wegen Rechtsbeugung hatte Ronald Schill noch als sicher gepriesen, dass das oberste Gericht ihn freisprechen werde. Das hat der BGH dann allerdings nicht getan, sondern den Fall zur erneuten Verhandlung ans Hamburger Landgericht zurückverwiesen. Dennoch will Schill „erleichtert“ in den Wahlkampf ziehen – und weiterhin Innensenator werden. Denn es habe zwar keinen Freispruch, aber auch keine Bestätigung der Entscheidung gegeben, mit der das Landgericht ihn im Oktober wegen Rechtsbeugung zu einer Geldstrafe in Höhe von 12.000 Mark verurteilt hatte.

Wenn das Landgericht nun erneut über den Fall verhandelt, wird es insbesondere prüfen müssen, ob Schill damals gezielt die Haftbeschwerde zweier von ihm inhaftierter Prozesszuschauer über Tage verschleppte. Das er dies vorsätzlich tat, sei in der Ersten Instanz nicht hinreichend belegt worden, befand der BGH. Allein durch die zögerliche Bearbeitung von Akten begehe ein Richter noch keine Rechtsbeugung. Es sei ihm selbst überlassen, welchen seiner Dienstgeschäfte er Vorrang gewährt. An feste Arbeitszeiten sei ein Richter nicht gebunden. Das sei aber kein „Standesprivileg“, schränkte der BGH ein, „das ihn vom so genannten Beschleunigungsgebot befreit“. Ein Richter dürfe nicht den Vorsatz verfolgen, Leute länger als nötig in Haft zu behalten.

„Jetzt müssen wir nachweisen, dass Herr Schill sich im Inneren vorgenommen hatte, die Leute sitzen zu lassen“, sagte der Hamburger Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger nach der Urteilsverkündung in Leipzig. „Hätte der BGH das nicht für möglich gehalten, hätte er durchentschieden und Schill freigesprochen. Das hat er nicht getan.“ Der BGH habe gezeigt, betonte Bagger, dass es rein um Rechtsfragen ging. Von einem politischen Prozess oder „Waterloo für die Staatsanwaltschaft“, wie Schill im die Verhandlung im Vorfeld bezeichnete, könne keine Rede sein. Dies will der 42-Jährige allerdings nicht eingestehen. Dass er nicht freigesprochen worden sei, sagte Schill, „verschleiert natürlich das justizielle Versagen“.

SPD und GAL kommentierten das Urteil logischerweise anders als Schill selbst. SPD-Landeschef Olaf Scholz sprach davon, dass „das Damoklesschwert der Verurteilung“ nun über Schill hänge. GAL-Spitzenkandidatin Krista Sager riet Schill dazu, „seine juristischen Hausaufgaben zu machen, anstatt sich lauthals über die Arbeit anderer Richterkollegen zu beschweren“. Das Urteil sei Beleg für „die richterliche Unabhängigkeit, von der Schill selbst gar nichts hält“. Und Regenbogen-Vorfrau Heike Sudmann sieht bereits das Szenario voraus, dass Schill „nach einem Regierungswechsel vor der Senatsbank erst einmal auf der Anklagebank Platz nehmen würde“.

Die CDU gab keinen Kommentar zu ihrem potenziellen Koalitionspartner ab.

siehe auch Seite 7