dieter baumann über Laufen
: Das Laufwetter macht die „ran“-Quote

Sat.1 hat das Quotenproblem seiner Fußballshow noch nicht gelöst: Der Sender hat Millionen Hobbyjogger vergessen

Der Fernsehsender Sat.1 glaubt, das Quotenproblem seiner Fußballshow „ran“ gelöst zu haben, weil die ab kommenden Samstag wieder um 19 Uhr anfängt. Ich sage Ihnen: Die täuschen sich gewaltig.

Und wenn Sie jetzt sagen, was weiß denn der vom Fußball? Der ist doch bloß Läufer, dann sage ich Ihnen: eben drum.

Bitte denken Sie mit: Die Bundesliga und damit das Quotenproblem begann zeitgleich mit der großen Hitzewelle im August. Bis weit in die Abendstunden herrschten Temperaturen von über 30 Grad. Für mich als Läufer brachte das lebenswichtige Fragen mit sich, zum Beispiel: Wann bringe ich bei diesen Temperaturen eine Laufeinheit unter?

Und was war die Antwort? Ich habe meine Laufeinheit von sieben Uhr um eine Stunde auf acht Uhr verschoben, um etwas kühlere und damit bessere Bedingungen vorzufinden (wir Schwaben sagen bekanntlich acht Uhr, wenn wir 20 Uhr meinen). Und ich war längst nicht der Einzige, der das so gemacht hat. Ach, werden Sie jetzt denken, die paar Läufer und Verrückte, das ist doch eine Randgruppe.

Falsch, Sie täuschen sich gewaltig. Die Wälder und Parks sind voll von Läufern. Und all diese bewegten Menschen hatten bei diesen heißen Temperaturen dasselbe Problem wie ich: Wann ist die beste Zeit zum Laufen? Für einen Lauf um sechs Uhr morgens bin ich zum Beispiel nicht unbedingt geschaffen. Es blieb mir und den anderen oft schlicht keine andere Wahl, als erst ab acht Uhr (abends, wie gesagt) zum „Long jog“ aufzubrechen.

Gut, sagen Sie: Diese Zahlen sind nur Zufall. Diese Zahlen werden keinen empirischen Untersuchungen standhalten. Geschenkt. Denn Anlass zur Beunruhigung sind sie allemal. Nicht für die Lauferei, keine Sorge. Viel mehr für Sat.1 und seine Sendung „ran“.

Viel wurde der Sendebeginn um 20 Uhr in den letzten Wochen diskutiert. Ratlosigkeit herrschte: Warum schaut keiner mehr zu? Häufige Erklärung: weil sich der mündige Bürger mit der Fernbedienung gegen Leo Kirchs Gemeinheiten zu wehren weiß. Diese Erklärung greift kurz, viel zu kurz. Die Wahrheit ist eine andere: Die Bundesliga und gleichzeitig das Quotenproblem begann zeitgleich mit der großen Hitzewelle. Gleichzeitig stehen die großen Stadtmarathons unmittelbar bevor: im September Berlin, im Oktober Köln, Frankfurt und München, im November New York. Mehr als fünf Millionen Läufer in Deutschland versuchen, über das Laufen ihr Idealgewicht zu erreichen, Stress abzubauen oder auch nur eine Stunde lang die Natur zu genießen. Viele bringen sich gleichzeitig für einen Wettkampf in Form. Als Ziel oder auch nur als Trick, um tatsächlich fast jeden Tag zu laufen.

Natürlich ist das dann nicht irgendein Wettkampf: Wenn, dann muss es schon ein Marathon sein. Denn der gemeine Fernseh-Zuschauer hat sich verändert. Aus einem Kartoffelchips essenden Sportfan, der in jedem Werbeblock noch eine Flasche Bier aus dem Keller holt, ist längst ein körperbewusster Freizeit-Athlet geworden. Kurz, er läuft. Marathon.

Können Sie mir folgen? Im Licht dieser Tatsachen betrachtet, ist der Quoteneinbruch um acht Uhr in der Hochsommer-Phase nicht verwunderlich. Schließlich hat der Hobbyläufer nur am Wochenende Zeit und Muße, zwei, manchmal auch drei Stunden zu laufen. Das muss er tun, denn ungenügende Vorbereitung führt zu unangenehmen Erfahrungen im Marathon. Millionen von Läufern mussten bei über 30 Grad warten, bis der Abend ihnen Kühle brachte. Dann lief „ran“ – und die Zuschauer liefen auch.

Nun glauben die Macher der Fußballshow, sie hätten alles wieder im Griff. Die Sendung am Samstag beginnt schon um 19 Uhr. Was Sat.1 allerdings vergessen hat: Kaum ändert sich die Großwetterlage, geht auch kein vernünftiger Mensch mehr am Samstagabend um 8 Uhr zum Laufen. Außer er muss.

Die Läufer befinden sich in ihrer Marathon-Vorbereitung jetzt in der Endphase. Sie testen sich zu „normalen“ Zeiten – am späten Vormittag oder Nachmittag. Und längst nicht alle werden rechtzeitig zur Bundesliga zurück sein. Somit hat „ran“ auch weiterhin ein Quotenproblem.

Meine Prognose: Erst zu Beginn des Winters wird sich die ungute Lauf-„ran“-Situation normalisieren. Sat.1 könnte dann ohne Probleme wieder um 18 Uhr senden. Denn bei Dunkelheit gehen die wenigsten zum Laufen.

Fragen zum Laufen? kolumne@taz.de